"Er hatte die ganze Natur in ein kleines niedliches Kompendium zusammengefasst, so dass er sie bequem nach Gefallen handhaben und daraus für jede Frage die Antwort wie aus einem Schubkasten herausziehen konnte."(S.23) Hier kommt das Motiv "Wissen ist Macht" (F. Bacon) deutlich ins Spiel. Anders als Philadelphus beschäftigt sich Terpin mit der Natur, indem er Experimente durchführt. Das Wissen, das er der Natur entlockt hat, findet sich in seinem Kompendium, das damit die Grundlage ist, um seine Macht der Natur gegenüber zu beweisen und zu demonstrieren. Jede einzelne naturwissenschaftliche Erkenntnis ist ein Sieg über die Natur, die für Terpin dadurch weiter abgewertet wird. Terpins Geringschätzung der Natur, die er mit Philadelphus teilt, äussert sich auch deutlich darin, dass er meint, alle Rätsel der Natur in seinem kleinen Büchlein entschlüsselt zu haben. Insgesamt also eine Unterschätzung der Vielfalt der Natur und eine Fehleinschätzung der Unvollständigkeit des eigenen Wissens (und damit, "Wissen ist Macht", eine Fehleinschätzung der eigenen Macht) über sie. Terpin hat aber das Bedürfnis, die Herrschaftsverhältnisse zu betonen. Das Lehren und Forschen dient ihm dazu, sich ständig seine Illusion der Überlegenheit vorzumachen. Im Vergleich zu Philadelphus' eher gelassener Gleichgültigkeit und Überheblichkeit der Natur gegenüber hat diese Haltung etwas Krampfhaftes, das sich auch im "Auffressen" von Geflügel (vgl. S.80) zeigt: das Auffressen als die ursprünglichste Form der Machtdemonstration gegenüber dem, der gefressen wird (hier also ein Teil der Tierwelt, der Natur).
Mit seinen Experimenten und dem Verzehr von Geflügel ist Terpin der Natur in gewissem Sinne recht stark verbunden: Er braucht sie zur Bestätigung der eigenen Stärke, sie kann ihm, wenn sie auch minderwertig ist, trotzdem nicht gleichgültig sein.
Terpins Wissenschaft ist entweder trivial (die Finsternis rührt hauptsächlich von Mangel an Licht her, vgl. S.23) oder aber sie ist "Hokus Pokus"(S.23), d.h. Unterhaltung und damit oberflächlich und ihrer Verantwortung nicht bewusst.
Mosch Terpin steht noch für eine ganze Reihe anderer Oberflächlichkeiten:
1. Der Missbrauch seines wissenschaftlichen Auftrags für den Eigennutz, seine durch und durch materialistische Weltsicht: Er "erforscht (.) die Natur in der Residenz und deren Bereich. Dieser Beschäftigung halber bekommt er aus den fürstlichen Waldungen das seltenste Geflügel, die raresten Tiere, die er, um eben ihre Natur zu erforschen, braten lässt und auffrisst"; "er hat schon mehrere Dutzend Flaschen Champagner verstudiert" (S.80)
2. Der im Rahmen der Romantik kritisierte Materialismus und die flächendeckende instrumentelle Vernunft (vgl. dazu Kapitel Balthasar).
3. Seine Fixierung auf sozialen/politischen Status: Terpins Freude über die bevorstehende Verbindung von Candida mit dem Minister Zinnober. "Durch ihn (Zinnober, B.T) erlange ich die Gunst des vortrefflichen Fürsten Barsanuph und steige nach auf der Leiter", die Zinnober erklimmt (S.67). (S.97)
Zu Punkt 3. ist zu sagen, dass Terpin den Zinnober als "bossu"(S. 67) (bucklig) bezeichnet, dass Zinnobers Zauber auf Terpin also z.T. nicht wirkt. Trotzdem tut Terpin nichts gegen den offensichtlichen Missbrauch von sozialer/politischer Macht und unterstützt die herrschende Günstlingswirtschaft. Die Geringschätzung von äusserlich hässlichen Gestalten, die sich besonders bei Fabian deutlich zeigt, findet sich bei Terpin nicht als zentrale Haltung. Zinnobers Nutzen für Terpins Karriere ist ihm wichtigerals die nachteilige äussere Erscheinung.
|