In vielen der für diese Seminararbeit verwendeten Quellen wurde deutlich, dass sich Täter oft mit ihren Problemen alleine gelassen fühlten. Manchmal sprachen sie dies deutlich aus oder ließen es verdeckt zum Ausdruck kommen.
Nun fragt man sich, warum soll den Tätern geholfen werden? Sie haben doch Unrechtes in unfassbarem Ausmaß getan, habe ihren Kindern unsäglichen Qualen ausgesetzt. Es besteht also für manche Grund zur Annahme, dass es sich bei Tätern um sehr grausame, sadistische und kriminelle Menschen handle.
Wenn man jedoch die vorangegangenen Kapitel mit größerer Aufmerksamkeit liest, so wird doch recht deutlich, dass Täter meistens ebenfalls Opfer ihrer Erziehung und Sozialisation sind, die es ihnen nicht erlauben, andere Problemslösungsmuster als die Gewalt gegen die Kinder zu sehen und zu nützen.
Es ist oft sogar so, dass Täter ihr Fehlverhalten in diesem Punkt sogar als solches erkennen, es bereuen, aber trotzdem nichts daran ändern können, weil sie in ihrer Hilflosigkeit nicht wissen, wie. Dies zeigt sich unter anderem auch darin, dass sie das Kind, das sie eben geschlagen und schwer misshandelt haben, unmittelbar danach an sich drücken, es streicheln und sich oft sogar für ihr Verhalten entschuldigen. Häufig bringen dieselben Personen, die das Kind durch ihre Misshandlungen schwer verletzt haben, aus Sorge zum Arzt oder ins Krankenhaus. Sie erfinden dann zwar meist andere Gründe für die Verletzungen der Kinder - dies aber oft aus dem Grund, um die eigene Hilflosigkeit zu verbergen, nicht aus Angst vor den Konsequenzen.
Diese Andeutungen belegen, dass Hilfen bei Krisen und gewaltsamen Auseinandersetzungen im Familienleben besonders notwendig sind.
Bei einem Hilfsmodell für Eltern, die ihre Kinder körperlich misshandeln, sollten folgende Gesichtspunkte berücksichtigt werden:
1. Eltern, die ihre Kinder misshandeln, dun dies in der Regel in persönlichen Notlagen, in denen sie keinen anderen Ausweg sehen. Es kann nicht umstandslos von einer Schuld der misshandelnden Erwachsenen gesprochen werden. Diese Eltern brauchen Hilfe, und eine sinnvolle Kinderschutzarbeit sollte Eltern und Kinder in ihren Notlagen verstehen und ihnen einen Zugang zu Hilfen ermöglichen. Es ist die Aufgabe des Sozialarbeiters, die Betroffenen zu befähigen, im Kontakt mit anderen, nicht zuletzt mit Sachverständigen und ernsthaft engagierten Mitarbeitern, ihre Probleme aus eigener Kraft zu bewältigen. Er soll dort Hilfe leisten, so der einzelne bzw. die einzelne Familie überfordert ist.
2. Wer Menschen helfen will, sollte sie nicht entmündigen. Die wie auch immer verschütteten Lebenskräfte und Erfahrungen der Betroffenen selbst müssen in die Arbeit miteinbezogen werden. Diese Art von Hilfe setzt weitgehende Freiwilligkeit der Betroffenen voraus. Die Freiwilligkeit findet jedoch ihre Grenzen, wo die Gesundheit oder das Leben eines Kindes gefährdet sind. Diese Hilfe baut nicht auf "guten" Rat, sondern versucht dazu beizutragen, gegenüber zerstörten und problematisch gewordenen Lebenszusammenhängen sukzessive neue, produktivere Lebens- und Erziehungsmöglichkeiten in Zusammenarbeit zwischen Betroffenen und Beratern zu schaffen.
3. Der enge Zusammenhang von lebensgeschichtlichen Konflikten und aktuellen Krisen des täglichen Lebens im Ursachenfeld von Kindesmisshandlung erfordert eine enge Verzahnung von Beratung bzw. therapeutischen Angeboten und vielfältigen lebenspraktischen Hilfen.
4. Ein Hilfsangebot für solche lebensbedrohlichen Notlagen muss auch zeitlich angemessen sein. Familienkonflikte richten sich nicht nach den Bürostunden des Sozialarbeiters.
Dieses oben beschriebene Hilfsmodell stellt natürlich hohe Anforderungen an den Sozialarbeiter, der sich diesen nicht selten nicht gewachsen fühlt. Daher ist gerade auch in dieser Sparte der Sozialarbeit Supervision von unermesslicher Wichtigkeit zur Psychohygiene.
Gerade in diesem Arbeitsfeld hat man einerseits mit gesellschaftlichen Missbilligungen zu rechnen und andererseits mit der Konfrontation psychisch oft sehr belastenden Situationen. Man ist zwischen den Qualen der Kinder, die man geahndet sehen möchte, und den trotzdem dringen vorhandenen Bedürfnissen der Täter hin- und hergerissen.
Möchte man aber effektiv die Kinder vor weiteren Misshandlungen schützen, so ist die Arbeit mit den Tätern unerlässlich und sollte eigentlich von allen als sehr wertvoll angesehen werden.
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