utter Theresa half den Ärmsten der Armen. Davon gab und gibt es in Kalkutta reichlich. Diese gleichermaßen faszinierende wie abschreckende Stadt bildet den Hintergrund für Mutter Theresas Werk der tätigen Nächstenliebe. Die folgenden beiden Texte vermitteln einen Eindruck von Kalkutta:
Kalkutta - eine Metropole in der Krise
\"Warum nicht ein Gedicht über einen Haufen Scheiße schreiben, wie Gott ihn fallen ließ und Kalkutta nannte. Wie es wimmelt, stinkt und lebt und immer mehr wird.\" Günther Grass, von dem diese Worte stammen, ist nicht der einzige, den die ehemalige Hauptstadt Britisch-Indiens an seine ästhetischen, moralischen und psychischen Grenzen geführt hat. Schon der erste Generalgouverneur Kalkuttas, Robert Clive, sah in ihr den verdorbensten Ort der ganzen Welt. Mahatma Gandhi bezeichnete sie als sterbende Stadt, und auch für den indisch-karibischen Schriftsteller V.S. Naipaul ist Kalkutta eine Stadt ohne Zukunft, wenn er schreibt: \"Alle ihre Leiden sind Leiden des Todes. Ich kenne eigentlich keine andere Stadt, die noch hoffnungsloser wäre.\" Fast jede Darstellung einer großen Millionenstadt der sogenannten Dritten Welt könnte den Untertitel \"Eine Metropole in der Krise\" tragen. Aber mit kaum einer anderen Stadt ist die Vorstellung von Armut, Krankheit, Elend, Tod, Verfall und Hoffnungslosigkeit so eng verbunden wie mit Kalkutta, der Hauptstadt des indischen Bundesstaates West-Bengalen. Der Kulturschock, den der westliche Besucher erlebt, ist überwältigend - in der vollen Bedeutung des Wortes, weil Elend und Chaos Kalkuttas alle Sinne erfassen. Das mag dazu beigetragen haben, dass Fernsehen, Schriftsteller oder Journalisten wohl öfter über Kalkutta berichtet haben als über andere Städte - sehr zum Missfallen der Inder, die sich darüber beschweren, dass im Westen überwiegend die negativen Seiten ihres Landes herausgestellt werden. So sahen sie auch die Verleihung des Friedensnobelpreises an Mutter Theresa, die bis dahin in Indien weitgehend unbekannt war, mit gemischten Gefühlen, lenkte sie doch die Aufmerksamkeit der Welt auf die Schattenseiten Kalkuttas, und die Verfilmung eines französischen Bestsellers, der das Leben in den Slums von Kalkutta beschreibt, wurde von der Regierung zunächst verhindert, dann so viele Änderungen verlangt, dass vom ursprünglichen Buch kaum etwas übrig blieb. Noch empfindlicher reagieren die Kalkuttaner selbst - mit Kalkuttaner sind hier der bengalische Mittelstand und die Intellektuellen gemeint. Als Rajiv Gandhi Kalkutta eine sterbende Stadt nannte und damit den Eindruck vieler Inder wiedergab, entfachte er einen Sturm der Entrüstung und tagelange Debatten im Parlament von West-Bengalen. Die Kalkuttaner lieben ihre Stadt tatsächlich und nehmen die verfallenden Wohnungen, die bedrückende Enge, die mangelnde Wasserversorgung, den Schmutz, die täglichen Stromausfälle, die überfüllten Verkehrsmittel seit Jahrzehnten mit schimpfender Resignation hin. Für sie ist Kalkutta die indischste aller Städte. Dieses Kalkutta, das uns heute die unlösbaren Probleme der Stadtentwicklung in der Dritten Welt demonstriert, war bis zur Unabhängigkeit und Teilung Indiens nach London die zweitgrößte Stadt des britischen Weltreiches, die größte und reichste Stadt Indiens, sein wichtigster Hafen und sein bedeutendster Industriestandort. Es war die koloniale Stadt par excellence, der Brückenkopf der Briten in Indien, von dem aus das Hinterland ausgebeutet wurde, auch zum Vorteil indischer Eliten in Kalkutta. Die Verarmung des Hinterlandes und die Bevölkerungsexplosion trieben eine verelendete Landbevölkerung in die Stadt. Der Strom der Zuwanderer wurde nach der Teilung Indiens durch die Flüchtlinge aus dem östlichen Bengalen noch verstärkt. Aber die Wirtschaft in der Stadt stagnierte und bot keine neuen Arbeitsplätze mehr, das ohnehin diffizile Gleichgewicht von Einwohnerzahl und Lebensmöglichkeiten in der Stadt war zerstört. Einst von den Briten für maximal eine Million Menschen geplant, platzt der Alptraum Kalkutta heute aus allen Nähten. Innerhalb von 30 Jahren wuchs die Einwohnerzahl von 4,4 Mio. im Jahre 1961 auf heute über 12 Mio. Wie bei einem See, der zu viele eingeleitete Fremdstoffe nicht mehr aufnehmen kann, kam es zum Umkippen Kalkuttas. Die dramatischen Folgen dieser brisanten Mischung aus Bevölkerungsexplosion und ökonomischer Talfahrt begegnen einem heute auf Schritt und Tritt. Mit Delhi gehört Kalkutta zu den sieben Städten der Erde mit der schlimmsten Luftverschmutzung. Das mörderische, schwül-heiße Klima zusammen mit der abgasgeschwängerten Luft hat dazu geführt, dass fast die Hälfte aller Bürger an Bronchitis, Lungenentzündung, offener Tuberkulose und anderen Atemwegserkrankungen leiden. Bleihaltig wie die Luft ist auch das Trinkwasser, da die Rohre des städtischen Wassernetzes noch aus dem vorigen Jahrhundert stammen. Allerdings sind ohnehin nur die Hälfte der Einwohner ans Netz angeschlossen. Kanalisation gibt es nur im Stadtzentrum, so dass jedes Jahr zur Monsunzeit die Straßen mit von Exkrementen durchsetztem Hochwasser überspült werden. Da regt das jeden Tag mehrmals zusammenbrechende Stromnetz inzwischen schon niemanden mehr auf. Am bedrückendsten sind jedoch die Folgen der hoffnungslosen Überbevölkerung. Auf einem Quadratkilometer drängeln sich mehr als 30.000 Menschen. Zwei Drittel der Bevölkerung Kalkuttas leben in offiziellen, von der Regierung anerkannten Slumgebieten, den sogenannten Bustees. Für umgerechnet etwa 5 DM im Monat hausen sie in primitiven Hütten aus Lehm, Wellblech und alten Holzkisten. Das in den Slums oft eng geknüpfte Netz sozialer Bindungen und zumindest einige wenige sanitäre Einrichtungen lassen diese Menschen jedoch zu den Privilegierten zählen. Darunter kommen die Squatters, die als wilde Siedler unter erbärmlichen Verhältnissen in aus Stoff und Plastikplanen gefertigten Behausungen leben, die sie für die Nacht an Hauswänden aufschlagen. Am dreckigsten im wahrsten Sinne des Wortes geht es jedoch den knapp eine Million Menschen, die außer einem Blechnapf allenfalls eine dreckverkrustete Bastmatte besitzen. Auf den Gehsteigen, in Hauseingängen, unter Ochsenkarren, neben Abfallbergen und offenen Kanälen, zwischen Ratten und räudigen Hunden fristen sie ihr Dasein. Lärm, Gestank, Massenarmut und das bekannt hitzköpfige Temperament der Bengalis haben Kalkutta zu einem brodelnden Hexenkessel werden lassen. Nirgendwo ist die Stimmung so aggressiv geladen wie hier. Und dennoch! Kalkutta, diese Alptraumstadt, sie scheint vor Leben zu beben. Optimismus, Vitalität, Humor, Kreativität kennzeichnen die Lebensphilosophie der Bengalis, und man meint diese Lust am Leben, im Angesicht der Katastrophe, geradezu physisch zu spüren. Nirgendwo in Indien wird so ausgelassen gefeiert und gelacht, so intensiv und kontrovers debattiert. Was Bengalen heute denkt, tut morgen ganz Indien, heißt ein indisches Sprichwort. Die Heimat des ersten indischen Nobelpreisträgers, Rabindranath Tagore, die Stadt der Philosophen Ramakrishna, Vivekananda und Sri Aurobindo, Hochburg der indischen Intellektuellen und Revolutionäre gilt als Kultur- und Kunstmetropole des Subkontinents. Nirgendwo werden mehr künstlerisch ambitionierte Filme gedreht, Hunderte von literarischen Magazinen, die auch gelesen werden, Hunderte von Theatern, zum großen Teil mit Amateurschauspielern, eine jährliche Buchausstellung mit zwei Millionen Besuchern, die allermeisten aus Kalkutta und sehr viele darunter, die sich gar kein Buch leisten können. Kurz: ein geistiges Leben wie in keiner anderen indischen Stadt. Egal wie oft Kalkutta in den letzten Jahrzehnten auch schon der Untergang vorhergesagt wurde, die Bengalis sind stolz auf ihre Hauptstadt.
Stadt des Elends und der Freude
An winzigen Kohleöfen kochen Frauen in Blechdosen Reis, Kinder wühlen in Mülltonnen nach Gemüseresten, räudige Hunde und große schwarze Vögel warten darauf, dass auch für sie etwas abfällt. Auf den Straßen quälen sich verbeulte Autos, knatternde Vespas und Fahrradrikschas durch die stickige Smogluft. Kalkutta, Hauptstadt des indischen Unionsstaates Westbengalen, ist ein Meer des Elends. Und der Strom der aus dem Umland zuziehenden Armen reißt nicht ab. Niemand weiß genau, wie viel Einwohner die größte und jüngste Metropole Indiens hat. Mindestens sind es wohl elf Millionen, täglich kommen etwa 2000 Menschen hinzu, die sich ein Plätzchen auf den überfüllten Bürgersteigen suchen. Inmitten der Armut hatte die am Sonnabend beerdigte Mutter Teresa 1949 das Haus ihres Ordens \"Missionarinnen der Nächstenliebe\" eröffnet. Die Nonne gab Hungernden eine warme Mahlzeit, Sterbenden ein Bett und - was ihr am wichtigsten war - sie gab ihnen Mitgefühl und Anteilnahme an ihrem Schicksal. Das Haus des Ordens befindet sich in einem grauen Steinbau gleich neben dem Tempel der als blutrünstig verrufenen Göttin Kali. Früher wurden ihr Menschen geopfert; heute verbrennen Hindus vor dem Tempel am Ufer des Hugli, einem Mündungsarm des heiligen Flusses Ganges, ihre Toten. Nach Kali wurde einst das Fischerdorf Kalikata benannt, das ein bengalischer Dichter erstmals 1495 erwähnte. Aus dem Dorf wuchs die Hafenmetropole Kalkutta, 1690 von den Engländern als Niederlassung der Ostindischen Handelskompanie gegründet. Von 1773 bis 1912 war Kalkutta Hauptstadt von Britisch-Indien. Während der Kolonialzeit begann der wirtschaftliche Aufstieg der Stadt. Englische Prachtbauten mit indischen Elementen, wie das Victoria Memorial, entstanden. Die meisten ehemaligen Villen sind jedoch heute verfallen. In der Hoffnung, Arbeit zu finden, zogen seit 1914 immer mehr Landbewohner aus dem Umland in die Metropole. Eine große Flüchtlingsflut brach 1947 auf Kalkutta herein, als das moslemische Pakistan (Ostpakistan ist heute Bangladesh) sich unter schweren Kämpfen von Indien trennte. Kalkutta ist nicht nur eine \"Sterbende Stadt\", wie sie Rajiv Gandhi, letzter Premierminister der Nehru-Gandhi-Dynastie einst nannte. Kalkutta ist auch Zentrum der indischen Intellektuellen und der künstlerischen Avantgarde. In der \"Stadt der Freude\" lebte der französische Schriftsteller Dominique Lapierre, der in seinem Bestseller-Roman schrieb, in den Elendsvierteln hätte er soviel Liebe, Anteilnahme und Glück wie nirgendwo sonst auf der Welt gefunden.
Das Leben und Wirken Mutter Theresas ist unvergessen
Davon zeugt folgender kurzer Presseartikel aus dem Jahr 2001:
Mutter Theresa fasziniert die Manager
Düsseldorf (AP).
Die verstorbene Friedensnobelpreisträgerin Mutter Theresa ist die Person, von der deutsche Manager am stärksten fasziniert sind. Das fand das Düsseldorfer Marktforschungsinstitut Ires in persönlichen Interviews unter 400 Wirtschaftsführern für die \"Wirtschaftswoche\" heraus. Auf den nächsten Plätzen folgen Bill Gates, Johann Wolfgang von Goethe, Wolfgang Amadeus Mozart und Pablo Picasso. Die Manager mussten 399 Personen, Marken und Begriffe nach deren Faszinationspotenzial bewerten. Bei den Marken gewann Porsche. Unter den fünf Spitzenmarken konnte sich außerhalb der Autobranche nur Microsoft den dritten Platz sichern. Rang zwei ging an Mercedes Benz, Rang vier an Ferrari, Rang fünf an BMW.
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