Winston Smith ist ein Durchschnittsbürger, doch eines unterscheidet ihn von allen anderen: Er hat insgeheim etwas gegen die Macht der Partei. So beginnt er ein Tagebuch zu führen und fragt eines Tages einen älteren Mann über die Vergangenheit aus. Dieser kann ihm jedoch nicht helfen und er geht wieder, schaut aber noch bei einen alten Ramschladen vorbei. Winston, der verbotenerweise im Gebiet der Proles ist, bemerkt, daß er von einem jungen Mädchen verfolgt wird.
Ein paar Tage später gibt Julia, das Mädchen, ihm eine Nachricht, auf der steht: \"Ich liebe dich\". Der verblüffte Winston glaubt das anfangs nicht, trifft sich jedoch geheim mit ihr und verliebt sich in sie. Die beiden mieten eine Wohnung über dem alten Geschäft um sich öfters treffen zu können.
Als das Mitglied der Inneren Partei O\'Brien Winston ein Zeichen gibt, treffen sie sich, und Winston erfährt mehr über die Opposition der Bruderschaft.
An einem Tag, an dem sich Julia und Winston absolut sicher fühlen, werden sie verhaftet. Sie sind sich sicher, daß sie sich gegenseitig nie verraten werden.
Winston wird im Ministerium für Liebe gefoltert und er gesteht viele Verbrechen. Nach physischen Schmerz wird mit psychischer Folter gearbeitet. Zum Schluß, im Zimmer 101, wird er mit seiner größten Angst konfrontiert. In diesem Moment verrät er Julia. Die Gehirnwäsche ist hiermit abgeschlossen.
Bei einem Treffen mit Julia stellen die beiden fest, daß sie nichts mehr füreinander empfinden. Als Winston stirbt ist sein letzter Gedanke der an den Großen Bruder: Er liebt ihn.
Stoff
George Orwell hat für seine utopische Gesellschaft historischen Systemen zum Vorbild genommen und erweitert. Seine \"Partei\" ist eine Weiterführung sowohl des Nationalsozialismus wie auch des Kommunismus. Die Partei selbst erhebt eigentlich nicht den Anspruch, das beste für die Menschen tun zu wollen, der einzige Sinn der Partei ist weiter zu bestehen. Auch Einflüsse von Ludwig Josef Johann Wittgensteins Sprachphilosophie sind nicht von der Hand zu weisen.
Motive & Symbole
Vergangenheit:
Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft. Aus diesem Grund ist die Partei immer dahinter, die Vergangenheit zu ändern. Genaugenommen müssen nur alle Beweise, alle schriftlichen oder bildlichen Aufzeichnungen der Vergangenheit geändert werden, die Menschen selbst haben bereits akzeptiert, daß ihre Erinnerungen nicht real sind, daß Vergangenheit ist was die Partei bestimmt. Die Fälschungen werden nicht als solche gesehen, es sind lediglich Berichtigungen, genau genommen wird ein erlogener Unsinn durch einen anderen ersetzt. Sogar die Jahreszahlen sind in dieser Zeit ungewiß. (Hätte das Buch nicht auch \"2010\" heißen können?) Erschreckend ist, daß sogar die ältere Generation nicht mehr viel über die Vergangenheit berichten kann. Den Alten ist es nicht möglich die Zeit vor der Revolution mit der heutigen zu vergleichen.
Gegenwart:
Wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit.
Winston und Julia sind sich gewiß, daß es kein Entkommen gibt. Es scheint aber ein unüberwindlicher Instinkt zu sein, eine Gegenwart auszuleben, die keine Zukunft besitzt.
Zukunft
Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft.
Interessant ist, daß Winston immer Vorahnungen über die Zukunft hat, diese aber nicht als solche erkennt. So träumt Winston, daß O\'Brien ihm sage, sie werden sich an einem Ort treffen, wo keine Dunkelheit herrscht. Später stellt sich heraus, daß dieser Ort das Ministerium für Liebe ist, in dem nie das Licht abgeschalten wird. Auch vom \"Goldenen Land\", der ländlichen Umgebung in der er Julia das erste mal alleine trifft, träumt er. Besonders auffällig ist auch, daß der Reim, der mit dem Bild im Zimmer assoziiert wird so endet: \"Und dieses Kerzlein leuchtet dir Tropf, und dieses Hackebeil hackt ab deinen Kopf\". Die Wahrheit dieser Strophe wird einem erst klar, als sich herausstellt, daß hinter dem Bild der geheime Teleschirm versteckt ist, der Winston und Julia ins Verderben stürzt.
Das Zimmer
Das Zimmer ist eine eigene Welt, ein Einschluß der Vergangenheit, das Paradies. Julia und Winston fühlen sich nur in diesem Zimmer wirklich sicher und ungestört. Dort könne ihnen nichts passieren, glauben sie. Im Endeffekt ist das Zimmer eine Falle.
Krieg
In Ozeanien ist Krieg zum Dauerzustand geworden. Es wechseln zwar die ganze Zeit die Gegner und die Verbündeten, aber es herrscht immer Kriegszustand. Julia vermutet, daß es diesen Krieg gar nicht gibt, daß die Raketenexplosionen in London von der Partei selbst verursacht werden. Wenn es den Menschen gut geht, interessieren sie sich nicht für die Partei. Daher werden sie durch Krieg, wirtschaftlichen Problem und Verbot von Liebe in einen unglücklichen Gemütszustand versetzt. Diese Unzufriedenheit wirkt als Motor und wird für das weitere Bestehen des Systems eingesetzt.
Doppeldenk
Doppeldenk ist das Prinzip, auf dem die Partei ihre Macht ausübt. Doppeldenk bedeutet gleichzeitig zwei einander ausschließende Ansichten zu vertreten und obendrein an beide zu glauben. Es bedeutet auch zu vergessen, was vergessen werden muß. Und dieses Verfahren wird auf sich selbst angewendet. Nur so kann die Vergangenheit kontrolliert werden.
Neusprech
Neusprech ist das Mittel um eine mögliche Revolution durch Parteimitglieder abzuwenden. Ein Putsch durch die Proles ist nicht zu erwarten. Die Sprache wird so weit verkleinert, daß ein Gedankendelikt unmöglich wird, daß der Gedankenspielraum auf ein Minimum begrenzt wird. (Die Abhandlung über Neusprech baut auf Wittgensteins Sprachphilosophie auf: das, wofür man keine Worte hat, kann man nicht denken.)
Schauplatz & Milieu
Am Beginn des Romans befindet sich der Hauptcharakter Winston Smith in London. Es ist der 4. April 1984. London, das bis auf wenige Abschnitte, die in einer ländlichen Idylle spielen, die meiste Zeit des Romans den Schauplatz darstellt, ist die wichtigste Stadt von Landefeld Eins, der am drittstärksten bevölkerten Provinz Ozeaniens. Von Anfang an wird dem Leser eine kühle, farblose Welt gezeigt. Schon im ersten Satz des Romans wird das groteske Umfeld der Handlung gezeigt: "Es war ein strahlend-kalter Apriltag, und die Uhren schlugen dreizehn."
Die Umwelt wird als trostlos beschrieben. Es ist sehr staubig, und, obwohl die Sonne scheint und der Himmel grellblau ist, wirkt alles außer den Plakaten des Großen Bruders farblos.
Ein Hubschrauber der Polizeistreife beobachtet die Leute an den Fenstern. Selbst die Wohnung bietet keinen Schutz vor der unaufhörlichen Obversation. Durch diese ständig möglichen Beobachtung kann auch hier kein Gefühl von Ruhe auftreten. Nicht einmal die Propaganda des Teleschirms, eines Art Fernsehers mit eingebauter Überwachungskamera, läßt sich abstellen. Selbst die Textzeilen unter den Bildern des Großen Bruders zeigen ganz offen die Verhältnisse, in denen die Menschen leben: \"Der Große Bruder sieht Dich\"
Ozeanien ist eine verdrehte Welt. Das vermutlich seit ca. 30 Jahren existierende Reich ist oft gegenteilig zu den Erwartungen des Lesers aufgebaut. Die Gebäude der Regierung, die mit den Namen Ministerium für Wahrheit, für Frieden, für Liebe und für Überfülle sich mit ihren Kompetenzbereichen schon selbst widersprechen, sind strahlend weiß angemalt. Die Vorstellung der grauen, farblosen Umwelt wird durch diese Machtsymbole sofort wieder zerstört. Obwohl es keine Gesetze gibt, werden Querdenker und Revoluzzer umgeschult oder anders bestraft. Dann geben Parolen wie "Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke" der bedrohlichen Stimmung noch den letzten Anstrich.
Obwohl immer gepredigt wird, wie gut doch alles sei, sind die Gebäude, die Industrie und wahrscheinlich die ganze Umwelt in einem zerstörten Zustand. So wohnt Winston zum Beispiel in einer um das Jahr 1930 erbauten Mietskaserne, die allmählich zu Bruch geht. Selbst Kleidungsstücke und Schuhe sind Mangelware.
Oft wird behauptet, daß der Roman die Gesellschaft der Sowjetunion unter Stalin zum Vorbild hat. Meiner Meinung nach könnte Orwell in seinem 1949 erstmals veröffentlichten Roman auch auf den Nationalsozialismus unter Adolf Hitler anspielen. Beide Versionen scheinen möglich zu sein. Im Roman selbst kommen beide Systeme vor: \"Die deutschen Nazis und die russischen Kommunisten reichten in ihren Methoden nahe an uns heran, aber es fehlte ihnen immer der Mut, ihre eigenen Motive anzuerkennen.\"
Die Innere Partei wird durch 2 % der Bevölkerung gebildet. Sie ist die Partei, sie lenkt das ganze System.
Die Äußere Partei ist zur Aufrechterhaltung des Systems gedacht. Diese Leute arbeiten, ohne eigenständig zu denken nach den Prinzipien des Großen Bruders.
Proles sind keine Menschen. Das wird nur allzu oft erwähnt. Sie stellen 85% der Bevölkerung Ozeaniens dar. Die Partei könnte von innen nie gestürzt werden, die einzige Hoffnung sieht Winston in den Proles. Wenn sie sich ihrer Stärke bewußt werden könnten, brauchten sie gar nicht zu konspirieren, der Fall der Partei würde beinahe automatisch erfolgen. Die Partei beansprucht für sich die Proles aus der Knechtschaft und Unterdrückung der Kapitalsiten befreit zu haben. Es ist nicht schwer, sie unter Kontrolle zu halten. Es werden keine Versuche unternommen, die Proles mit der Ideologie der Partei zu indoktrinieren. Es ist nicht wünschenswert, daß sie eine starke politische Überzeugung haben. Von ihnen wird nur ein primitiver Patriotismus verlangt. Da den Proles der generelle Überblick fehlt, können sie ihre Unzufriedenheit nur gegen ganz spezielle, unwesentliche Mißstände richten. Die größeren Übel entgehen ihnen unweigerlich. Die Proles verhalten sich keiner Partei, keinem Land, keiner Idee gegenüber loyal, sie sind nur untereinander loyal. Die Proles sind menschlich geblieben.
Kinder sind sehr gefährlich. Die Partei übernimmt die Erziehung der Kinder, die bald zu Vergötterern derselben werden. Kinder, die sonst immer als Zukunft und Hoffnung gelten, sind in diesem Roman das Gegenteil, die Ausleger der Partei bis in die Familien hinein. Es kommt sehr oft vor, daß Kinder ihre eigenen Eltern belauschen und verraten, um selbst in der Hierarchie der Partei aufzusteigen. Die Eltern fürchten sich vor ihren Kindern.
Der Große Bruder ist die Symbolfigur für den Staat. Man sieht von ihm eigentlich immer nur das Gesicht, das Gesicht eines etwa 45jährigen Mannes mit wuchtigem schwarzem Schnurrbart und kernig-ansprechenden Zügen. Er wird als unbezwingbarer, furchtloser Schutzherr beschrieben. Natürlich ist der Große Bruder nicht existent, er ist gleichzusetzen mit der Partei selbst. Im Großen und Ganzen stellt das für die Menschen aber kein Problem dar.
Emanuel Goldstein war einer der führenden Männer der Partei. Da er aber angeblich in konterrevolutionäre Machenschaften verstrickt gewesen war, wurde er zum Tode verurteilt, konnte jedoch auf mysteriöse Weise entkommen und untertauchen. Goldstein wird als Urverräter dargestellt, er ist der Anführer einer Organisation die \"Bruderschaft\" genannt wird und gegen die Partei arbeitet. Goldstein hat \"das Buch\" geschrieben, ein Werk, daß die Wahrheit über die Partei und den Großen Bruder darlegt. Niemand glaubt, daß er auf die Lügen Goldsteins hereinfallen könnte, doch jeder befürchtet, daß andere, nicht so intelligente Menschen seinen widersinnigen Gedanken glauben schenken könnte. Trotz all des Warnens durch die Partei scheint Goldsteins Einfluß nie zu schwinden, immer gibt es neue Opfer. Winston ist sich nicht sicher, ob Goldstein oder die Bruderschaft überhaupt existierten, ob sie nicht ein Mythos wären. Selbst O\'Brien klärt ihn nicht darüber auf, ob es die Bruderschaft überhaupt gibt.
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