In den letzten Jahren sind die Hexen zu einem sehr populären Thema geworden. Frauen gehen verkleidet auf die Straßen, um für ihre Rechte zu kämpfen. Sie feiern die Walpurgisnacht, eignen sich das verschollen geglaubte Wissen ihrer historischen Schwestern an und setzen sich damit für eine menschenfreundlichere Medizin und Geburtshilfe ein. Die Hexe ist zum Leitbild der Frauenbewegung geworden. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sich immer mehr Forscher mit diesem Thema beschäftigen. Sie betrachten die frühneuzeitliche Hexenverfolgung als ein Akt der Unterdrückung von Frauen. Insofern sind die bisher aus dem feministisch orientierten Geschichtsforschungen vorgelegten Arbeiten eine Bereicherung.
Die schon durch die Gebährfähigkeit gegebene enge Beziehung der Frau zur Natur stellt eine Bedrohung der leibfeindlichen Kirchenideologie dar und behindert zugleich den Siegeszug der technisch - rationalen Kultur. Hinzu kommt nach Bovenschens Ansicht, dass die von Männern dominierten neuen Wissenschaften ihre Herkunft aus dem magischen Denken verschleiern wollen und in der Frauenkultur überlebende Reste des magische Weltbildes auszulöschen versuchen.
Der Tribut für die so erreichte Herrschaft über die Natur ist zugleich die Entfremdung von der Natur. Zunehmend äußern sich Angst und Entfremdungsgefühle gegenüber der natürlichen Umwelt und - schlimmer noch- gegenüber der eigene Natur, dem Körper. Damit wächst auch die leicht in Hexenjagden umschlagende Angst vor der Frau, die den Mann allzusehr an seine kreatürliche Herkunft erinnert. Silvia Bovenschen, Claudia Honegger und andere Autorinnen entwickeln auf dem "Umweg" über diese grundsätzliche Überlegungen vielleicht eine genauere Beschreibung dessen, was ihre männlichen Kollegen noch unbestimmt als "Mentalität", "kollektive Psychologie" u.ä. zu fassen versuchen.
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