Die Geschichte der Schrift
Einführung - Was ist Schrift?
Sinn und Zweck der Schrift ist es, Informationen darstellen zu können, um sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder ins Gedächtnis zurückführen zu können. Die angewandten Methoden und das dabei verwendete Material ändern sich sogar innerhalb einer einzigen Kultur mehrfach. Der Grund dafür liegt darin, dass an verschiedenen Orten, zu verschiedenen Zeiten, verschiedene Schriftarten parallel erfunden wurden.
Arten der Schrift
Bilderschrift
Die Bilderschrift war die erste Schrift des Menschen. Sie bestand aus Zeichen für Menschen, Tiere und Gegenständen. Diese Symbole nennt man Piktogramme. Die älteste bekannte Bilderschrift datiert um 3500 v. Chr. Ein großer Vorteil dieser Schriftmethodik ist die Sprachlosigkeit, d.h. das Wissen über die Sprache des Schreibers oder Verfassers tritt in den Hintergrund. Eine fortgeschrittenere Art der Bilderschrift sind Ideogramme. Sie zeigen nicht mehr nur Darstellungen von Tieren und dergleichen, sondern beschreiben auch abstrakte Begriffe wie z.B. laufende Beine für "gehen" oder ein Sternenhimmel für "Nacht", "dunkel" oder "schwarz". So kann eine Deutung der gegebenen Pikto- oder Ideogrammfolge zu verschiedenen Ergebnissen beziehungsweise Inhalten führen.
Abb. 1.: Hier könnten die bei der Jagd getöteten Lebewesen als Piktogramme dargestellt sein; eine Eigeninterpretation ist möglich.
Abb. 2.: Diese Darstellungen erzählen von einem Häuptling namens Myengun, der mit fünf Kanus auf eine dreitägige Reise (drei Sonnen unter gewölbtem Himmel) begab. Der Adler symbolisiert den Mut der Truppe, und die anderen Tiere dienen zum Schutze des Häuptlings. (Darstellung enthält Ideogramme.)
Die ägyptischen Hieroglyphen
Um etwa 3000 v. Chr. entwickelte sich in Ägypten eine Sonderform der Bilderschrift, die der Hieroglyphen. Sie nahmen in dieser polytheistischen Kultur einen besonderen Stellenwert ein. So bedeutet das griechische Wort "Hieroglyphe" soviel wie "heilige Einmeißelung". Anfangs waren es nur simple Darstellungen von Lebewesen. Die ägyptische Bilderschrift entwickelte sich aber bald zu einem komplexen System aus Symbolen, dessen Bedeutung die eines Wortes oder eines Lautes beinhalten konnte. Sie nennt man Phonogramme und kann man vereinzelt schon mit Buchstaben des Alphabets vergleichen. Der Umstände halber entstand jedoch parallel zur Bilderschrift eine vereinfachte hieratische Schrift. Seit der sogenannten "Dritten Zwischenzeit" Ägyptens (21. - 25. Dynastie, 1070 - 655 v. Chr) gab es eine weitere Variante, die Demotische. Zur späteren Besetzung Ägyptens durch die Griechen (unter anderem unter Alexander dem Großen) übernahmen sie die Buchstaben des griechischen Alphabets. Entschlüsselt wurden die ägyptischen Hieroglyphen erst durch den Franzosen Champollion 1822 mit Hilfe des Steins von Rosetta. Dieser war als Wissenschaftler mit den Truppen Napoleans mit nach Ägypten gekommen und nahm dabei gleich den Stein nach Frankreich mit.
Abb. 3.: Stein von Rosetta: Oben Ägyptische Hieroglyphen, in der Mitte demotisch, unten griechisch.
Abb. 4.: Die beiden Schriften der Ägypter auf einem Papyrus.
Abb. 5 u, 6.: Abgesehen von ihrer religiösen Bedeutung, dienten die ägyptischern Hieroglyphen hauptsächlich dem Vermerk von Zahlen für Längen-, Flächen-, Hohl- und Gewichtsmaße. So war damals der Beruf des Schreibers besonders im Handels- und Verwaltungsbereich einer der wichtigsten überhaupt.
Abb. 7.: Jedem Pharao entsprach seine eigene Hieroglyphe.
Das Schriftsystem der Chinesen
Während der im Mittelmeerraum Hieroglyphen und Keilschriften benutzt wurden, entstand im Osten ein Schriftsystem, bestehend aus komplizierten Kombinationen von Piktogrammen, Ideogrammen und Lautzeichen. Ihre Schrift zählt eine stolze Zahl von 50.000 Symbolen, davon waren aber "nur" ca. 1.000 bis 2.000 in täglichem Gebrauch. Das Entschlüsseln alter Texte fällt im Vergleich zu den Schriften anderer Kulturen extrem leicht, da sich ihre Zeichen und Symbole bis heute nur gering verändert haben. Die Chinesen konstruierten so manch neue Worte wie "Film", indem sie dieses durch eine Kombination aus "elektrisch" und "Schatten" darstellten.
Abb. 8.: Kombination zweier Symbole Abb. 9.: Veränderungen der Schrift fallen gering aus
Silbenschrift
Die ersten Symbole für Silben erfanden die Einwohner der Insel Kreta, die Minoer, und zwar gleich zwei Symbolzeichen, die sogenannten Linearschriften A und B. Die Linearschrift B wurde erstmals zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Palast von Knossos entdeckt. In Phaistos fand man eine Tonscheibe, deren Geschichte in zyklischer Form in einer bis heute unbekannten Schrift dargestellt wurde. Ihr Inhalt bereitet den Wissenschaftlern und Historikern bis heute Kopfzerbrechen, manche bringen sie sogar in Verbindung mit dem Mythos von Atlantis. Sie trägt deshalb den Namen "Diskus von Atlantis".
Abb. 10.: Der Diskus von Atlantis im Original. In der Mitte auf Symbole betont, und rechts dargestellt das vermutliche Symbol für "Eindringlinge".
Keilschrift
Die Begründer der sogenannten Keilschrift sind Sumerer (um 2900 v. Chr.). Geschrieben wurde mit Rohrgriffeln, mit deren Hilfe man hauptsächlich geradlinige Zeichen in noch feuchte Tontafeln drückte. Nach Trocknen des Tons wurde die Schrift haltbar und dadurch sogar noch für uns gut lesbar. Die Keilschrift bestand anfangs aus 2.000 Symbolen und wurde allmählich auf 800 reduziert. Im alltäglichen Umlauf waren, wie bei den Chinesen, um einige weniger. Sie wurden von mehreren Völkern benutzt, wie z.B. von den Akkadern, Persern oder Elamitern, jedoch in verschiedenen Anordnungen der Zeichen.
Abb. 11.: Auszug aus einem mit Keilschrift beschriebenen Tontafel Abb. 12.: Verwendete Methode: Rohrgriffel
Das Alphabet
Ein Buchstabe beschreibt einen Laut der Sprache. Ist die Anzahl der Buchstaben begrenzt und vorgegeben, so spricht man von einem Alphabet. Die Einfachheit dieser Schriftmethode ist ihre geringe Anzahl von Symbolen, die zu merken sind. So ist diese Methode der Schrift die vorherrschende der Welt. Entstanden ist die Schrift um etwa 1600 v. Chr., ihre Ursprünge liegen in Syrien und Palästina. Die Idee dieser Schriftart wurde von Händlern an die verschiedensten Völker weitergeleitet, diese entwickelten daraufhin ihre eigenen Alphabete.
Abb. 13.: Vergleich mehrerer Alphabete, deren Ursprünge alle im Phönizischen (Altsemitischen) liegen, und von Volk zu Volk jeweils abgewandelt wurden.
Die Schrift im Mittelalter
Die Zeit des Mittelalters war geprägt von einer religiösen Haltung gegenüber allen Dingen. Jeder, zumindest Händler, Kaufleute und Adelige, die es sich leisten konnten, erwarben einen sogenannten Psalter. Ein Psalter ist eine Sammlung biblischer Gebete und Psalmen in Form eines Buches. Der Buchdruck war jedoch noch nicht erfunden (erst im 15. Jhd.) und so mussten es die Adeligen eigens von einem Schreiber anfertigen lassen. Sie waren meistens Mönche, es gab in den Städten aber auch Werkstätten mit Berufsschreibern. Zu Ehren Gottes mussten die handgeschriebenen Bibeln und Psalter natürlich aufwendig verziert werden, so war es z.B. üblich die Anfangsbuchstaben eines jeden Satzes mit schönen Farben hervorzuheben. Um eine nicht vollständige Zeile auszufüllen, fügte man Zeilenfüller hinzu. Die Ränder der Seiten wurden mit Blumen und sogenannten Grotesken ausgeschmückt. Sie beinhalten teilweise Darstellungen des Auftraggebers.
Abb. 14.: Typischer Psalter mit Metallschließen, um ein Verwellen der Seiten zu verhindern. Damals sehr beliebt.
Der Buchdruck
Durch steigenden Bildungsstand verlangte die Bevölkerung des 15. Jhd. nach mehr Büchern. Die Schreiber konnten diesem Bedarf nicht mehr nachkommen. Und so erfand der Mainzer Goldschmied Johannes Gutenberg (1397 - 1468) den Buchdruck. Er war jedoch nicht der Erste, die Kunst des Buchdruckes gab es wahrscheinlich schon 500 Jahre früher, bei den Chinesen, Sie benutzten Druckstöcke aus Birnen- und Jojobaholz, welche jeweils eine ganze Seite in Spiegelschrift umfasste. So war die von Johannes Gutenberg verwendete Letterdrucktechnik um einiges praktischer, bzw. günstiger und verbreitete sich schon bald in ganz Europa. Die aus Zinn, Blei und Antimon bestehenden Lettern wurden in Setzkästen aufbewahrt. Sie enthalten jeden Buchstaben des Alphabets in drei Versionen - Großbuchstabe, Kapitälchen (kleiner Großbuchstabe) und Kleinbuchstaben. Wurde einer kaputt oder abgenutzt, so konnte man ihn ohne Mühe ersetzen, die Chinesen mussten die gesamte Holzplatte neu herausschnitzen.
Abb. 15.: Chinesische Holztafel, beinhaltete eine ganze Seite eines Buches.
Abb. 16.: In diesem sogenannten Hand¬satz musste der Setzer jede Zeile einer Seite aus den benötigten Lettern zusammensetzen.
Die heutige Schrift
Wir haben einige der Schriftarten aus dem Mittelalter mehr oder weniger direkt übernommen und digitalisiert, um sie dann am PC einsetzen zu können. Eine der bekanntesten Schriftarten ist die vom englischen Bildhauer Eric Gill gezeichnete Gill Sans. Sie besitzt keine Serife, d.h. keine abflachenden Buchstabenenden (siehe Abb. 17).
Abb. 17.: Schön zu erkennen sind hier die so genannten Serife, als Verzierung der Schrift.
Abb. 18.: Noch heute werden neue Schriften zuerst am Reisbrett vorgezeichnet, und erst dann in den PC eingegeben. (Dargestellt sieht man hier die Gill Sans.)
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