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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Georg trakl und andreas gryphius


1. Drama
2. Liebe

Gedichtvergleich Erschließen Sie die beiden folgenden Gedichte. Gehen Sie in einer vergleichenden Interpretation vor allem auf die jeweilige Natur- und Gotteserfahrung ein, und nehmen Sie für beide Gedichte eine begründete literarhistorische Einordnung vor.

Die mir vorliegenden Gedichte stammen von Andreas Gryphius und Georg Trakl. Gryphius´ Werk trägt den Titel \"Auf das grausame Ungewitter\" und wurde 1654 verfasst. Georg Trakls Werk \"De profundis\" entstand im Jahre 1912.

Der folgende Gedichtvergleich ist diachron aufgebaut, wobei das Gedicht Trakls im Vordergrund steht.

Beide Autoren beschäftigen sich in ihren Gedichten mit ihrer persönlichen Gottes- und Naturerfahrung, wobei sie vergleichsweise zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Auch die Art und Weise ihrer Schilderungen ist sehr verschieden, was mit der großen Zeitspanne, die die Schaffensphase beider Autoren voneinander trennt, zusammenhängen könnte.

Der Titel von Gryphius` Werk lässt zudem mehr erahnen als der Trakls, zumindest für Leser, denen die Bibel und ihr Inhalt weniger vertraut sind. Sowohl der Titel Trakls Gedicht, als auch zahlreiche andere Symbole verweisen den Leser immer wieder auf das Alte Testament. So bedeutet \"De profundis\" aus dem Latein übersetzt \"aus der Tiefe\" und ist ein Verweis auf Psalm 130 des Alten Testaments. Gryphius hingegen hebt das Motiv des Gottes und der Religion noch stärker hervor, indem er die ersten zwei Buchstaben der Wörter \"Herr\" und \"Gott\" stets groß schreibt (vgl. V. 9, 12, 14: \"HErr\", \"GOtt\").

Trakls Gedicht vermittelt dem Leser eine Weltuntergangsstimmung, ausgelöst durch die Beschreibung eines völlig isoliert lebenden lyrischen Ich, das auf der Suche nach Geborgenheit und Schutz sowohl an der Natur, als auch an Gott scheitert.

Das Gedicht \"De profundis\" gliedert sich in sechs Strophen, welche weder durch einen Reim noch durch ein regelmäßiges Metrum miteinander verbunden sind.

Das Gedicht von Gryphius dagegen erscheint in der für den Barock typischen Form eines Sonetts, wobei die Quartette einen umarmenden Reim und die Terzette einen Schweifreim aufweisen. Auch in Gryphius` Sonett herrscht kein regelmäßiges Metrum. Aus dieser Gemeinsamkeit heraus ergibt sich ein Hinweis auf die jeweilige Zeit, in der die Autoren lebten. Man könnte daraus ableiten, dass große Unordnung innerhalb der Gesellschaft und ihrer Umwelt geherrscht haben muss. In \"Auf das grausame Ungewitter\" wird diese Unordnung durch das scheinbar alles zerstörende und Chaos hervorrufende Unwetter, bei Trakl durch die Rolle des lyrischen Ichs und den Tod eines unschuldigen Mädchens, deutlich.

In der ersten Strophe beschreibt das in den Hintergrund getretene lyrische Ich offensichtlich einen Herbstabend, der durch ein bereits geerntetes Feld, schwarzen Regen, leere Hütten und tiefe Trauer gekennzeichnet ist. Durch die dreifache Anapher \"Es ist ein\" wird klar, dass diese Strophe nur der Einführung in das weitere Geschehen dient. Auch die für den Expressionismus typische Farbsymbolik taucht auf, wobei diese Chiffren vieldeutige Interpretationen zulassen. So könnte der schwarze Regen für die beschriebene trostlose Nacht, gleichzeitig aber auch für die innere Leere und Einsamkeit des lyrischen Ichs stehen Der einsame Baum und die leeren Hütten (vgl. V. 2-3) verdeutlichen abermals die Verlassenheit, die das lyrische Ich empfindet.

In der zweiten Strophe taucht ein verwaistes Mädchen auf, das anscheinend ebenso auf der Suche nach Schutz und Geborgenheit ist, wie das lyrische Ich (vgl. V. 6-7). Zudem wird in diesen Versen auch der typisch expressionistische Reihungsstil deutlich, was die Tendenz zur Auflösung der Form in dieser Zeit zeigt.

Zwischen der zweiten und dritten Strophe besteht ein zeitlicher Abstand. Die Hirten fanden bei ihrer Heimkehr den bereits verwesten Körper des jungen Mädchens (vgl. V. 9-11). Die Tragik und die beim lyrischen Ich empfundene Trauer wird durch den Tod dieses Mädchens noch verstärkt, obwohl oder gerade, weil man über das Mädchen nicht sehr viel erfährt. Die zentrale Position dieser Strophe innerhalb des gesamten Gedichts könnte bedeuten, dass der Tod des Mädchens bzw. dessen Symbolcharakter auch eine zentrale Stellung im Gedicht einnimmt. Dieses unschuldige Mädchen stirbt ohne für den Leser ersichtlichen Grund. Das lyrische Ich schildert dieses Ereignis in distanzierter Art und Weise, denn vielleicht ahnt das lyrische Ich, dass es mit sich selbst ein ähnlich tragisches Schicksal nehmen könnte. Der Tod der Waisin wirkt auf den Leser als ein ungerechtes, schockierendes Erlebnis, denn in der vorherigen Strophe deutete noch nichts auf den Tod eines Menschen hin (vgl. V. 6-7)

In der vierten Strophe tritt das lyrische Ich nun zum ersten Mal in den Vordergrund. Gleichzeitig wird die Ich-Dissoziation mit dem Vergleich "Ein Schatten bin ich" ausgedrückt. Das lyrische Ich befindet sich weitab von aller Zivilisation, von aller menschlichen Lebendigkeit (vgl. V. 12). Es erfährt nur die Abwesenheit Gottes und scheint auch nicht mehr auf eine Rettung durch Gott zu hoffen. Dieser Hilferuf des lyrischen Ichs wird nicht erhört. Der Ich-Zerfall betrifft in Trakls Gedicht demnach sowohl den sozialen Bereich und das eigene Ich, als auch den religiösen Bereich. Gerade in einer Zeit, die geprägt ist von Unruhen und großer Verunsicherung ist es für einen Menschen lebenswichtig, einen Halt zu besitzen, der Hoffnung gibt. Das lyrische Ich hat allen Glauben und Optimismus verloren, weshalb das Ich dann zerfällt.

Die fünfte Strophe des Gedichts "De profundis" ist geprägt von den Motiven Einsamkeit, Tod und Zerstörung, welche durch eine Vielzahl von Symbolen wie "kaltes Metall" (V.15) und "Herz"(V.16) angedeutet werden. Das kalte Metall verbildlicht die Leblosigkeit, was möglicherweise einen Verweis auf die Industrialisierung birgt und deren Bedrohung durch die zweideutig zu sehende Mechanik aufzeigt.

Das "Herz" hingegen steht für das Leben und die Liebe, die vom lyrischen Ich herbeigesehnt werden, wobei die Hoffnung darauf zusehends schwindet (vgl. V. 17).

In der letzten Strophe des Gedichts sieht sich das lyrische Ich nun auf einer Heide und ist von Abfall umgeben. Das Schicksal des lyrischen Ichs scheint besiegelt, denn es befindet sich zudem im Sternenstaub, der für das Kosmische und Göttliche bzw. für seine damit verbundene Enttäuschung zusammenhängen könnte. Für das lyrische Ich ist eine Welt zusammengebrochen, denn es hat in seinem Glauben keinerlei Trost und Geborgenheit erfahren.

Das Gedicht von Georg Trakl vermittelt eine sehr düstere Weltendstimmung. In dieser Welt lebt der einzelne Mensch in Isolation und es ist ihm nicht vergönnt, weder von der Natur, noch von Gott, Geborgenheit und Zuflucht zu finden. Der Zustand der Natur bzw. der Umwelt spiegelt im Grunde den seelischen Zustand des lyrischen Ichs wider, der insgesamt als vereinsamt, hoffnungslos und zutiefst traurig beschrieben werden kann.

Im Gegensatz zu Trakls eher pessimistischen Weltbild, das er in seinem Werk vermittelt, geht Gryphius in "Auf das grausame Ungewitter" davon aus, dass Gott dem Menschen stets zur Seite stehe, was die religiöse Überzeugung dieser Zeit kenntlich macht. In Gryphius` Sonett ist dennoch auch die für den Barock sehr typische antithetische Einstellung wahrzunehmen, zwischen "carpe diem" (der Lebenslust) und "memento mori"(der Lebensunlust) (vgl. V. 9-14). Dieser Kontrast ist es, dem Gryphius ewige Gültigkeit beimisst und den er, wie viele andere Lyriker des Barock auch, z.B, Martin Opitz, herausstellen wollte.

Insgesamt ist festzustellen, dass Trakl und Gryphius ihre sehr verschiedenen Welt- und Menschenbilder auch auf völlig unterschiedliche Weise verarbeiteten. Die meisten Unterschiede sind auf die jeweilige Epochenzugehörigkeit der Dichter zurückzuführen. Dennoch scheint das Verhältnis zwischen Natur, Gott und dem Menschen selbst als ein Thema der Lyrik im Laufe dieser Zeit für die Dichter der Menschheitsgeschichte nicht an Aktualität verloren zu haben.

 
 

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