Gretchen-Tragödie
STRAßE: Nach seiner Verjüngungskur bei der Hexe ist Faust nicht nur jünger geworden, sondern auch liebestoll. So macht er der Nächstbesten den Hof - Gretchen - die ihm zum Objekt seiner sexuellen Begierde wird. Mephisto, der sie Faust zuliefern soll, weiß, dass seine Macht über die schlichte Unschuld und Religiösität des Mädchens begrenzt ist und rät zu besonderer List und Tücke: Schmuck.
ABEND: Heimlich in der Kammer Gretchens: Angesichts der Ärmlichkeit und Reinlichkeit der Stube wird Fausts Herz so gerühret, dass er sich für Augenblicke des Frevelhaften seines Tuns bewusst wird. (2720-5) Mephisto bringt ihn jedoch wieder auf andere Gedanken.
SPAZIERGANG: Mephisto ärgert sich. Gretchen zwar war von dem Schmuckkästchen entzückt, die Mutter jedoch bringt es anderntags sofort zum Pfarrer, welcher es dankend dem Kirchenschatz einverleibt: Die Kirche hat einen großen Magen. (2830-50) Faust, vom Kummer des Liebchens gerührt (2853) treibt Mephisto zu neuen Intrigen: die Nachbarin...
NACHBARINS HAUS: Bei Marthe, verwitwet und Vertraute Gretchens, taucht Mephisto auf mit der Behauptung, von ihrem verstorbenen Mann letzte Kunde zu bringen und natürlich auch einen zweiten Zeugen, um den Tod für einen Totenschein zu bekunden. So wird Faust in Gretchens \'Dunstkreis\' einge- führt.
GARTEN: Man spaziert paarweise zu viert:
Mephisto und Frau Marthe, letztere wirbt ganz unverhohlen um die Gunst Mephistos, in dem sie ihren künftigen Bettgefährten und Versorger sieht.
Faust und Gretchen: Von der schlichten, ehrlichen und hilfsbereiten Natur Gretchens bewegt, entdeckt Faust echte Gefühle zu ihr: Reine Liebe, die erwidert wird.
WALD UND HÖHLE
- Fausts Weltanschaungs-Monolog - PERIPETIE (siehe exemplarische Szenenanalyse)
GRETCHENS STUBE: Gretchens Spinnlied - Lied voller Schlichtheit und Sehnsucht nach dem Geliebte - Kontrast zur hohen Sprache in Fausts Monolog (oben)
MARTHENS GARTEN: Religionsgespräch: Fausts antwortet auf die \"Gretchen-Frage\" mit einem wortreich-pathetischen pantheistischen Bekenntnis zum unaussprechlichen >Allumfasservogelfrei< erklärt worden. Er muss also fliehen und Gretchen ihrem Unglück überlassen. Mephisto führt Faust an eine weitere Station ihrer \"Weltfahrt\", ins Hexenreich, wo die Hexen nackt und rittlings auf den Besen reiten, wo Sinnlichkeit und Geschlechtlichkeit herrschen. Doch auch diese Revue der natur -und triebhaft waltenden Kräfte im Hexenkessel kann den Gedanken an die Geliebte nicht aus Fausts Seele verbannen. Faust hat eine Vision: Gretchen erscheint ihm als eine bereits Hingerichtete, sie hat einen roten Strich am Hals, ein \"Messerrücken\" breit.
Walpurgisnachtstraum: Ein Stück Zeitsatire, welches keinen unmittelbaren Bezug zur Handlung hat. Es verdankt seine Existenz im Faust mehr dem Bedürfnis Goethes, es irgendwo unterzubringen.
TRÜBER TAG, FELD
Siehe: Exemplarische Szenenanalyse
KERKER
Leitfragen:
Woran erinnert der Titel dieser Szene? (\"Nacht\", Faust: \"Weh! Steck ich in dem Kerker noch?\" V.398)
Was ist die Situation, wie kam es dazu, was müssen wir vermuten?
Warum geht Margarete nicht mit?
Ist sie gerichtet oder gerettet?
Was kennzeichnet Margaretes Sprache?
Es ist Nacht. Faust mit einem Schlüsselbund (wohl von Mephisto) betritt mit Schaudern Margaretes Gefängniszelle, wo diese den Henkersknecht erwartet: Margarete ist schon im Delirium, sie hat ihr Kind ertränkt und wähnt es doch noch bei sich. Den Faust hält sie für den Henker und bittet diesen um Aufschub. Als Faust sich schließlich doch noch erkennbar machen kann, wirft sie sich ihm an den Hals, schreckt jedoch vor dessen \"Kälte\" zurück. Sie denkt gar nicht an Flucht, sondern ist bereit für ihre - und seine! - Taten zu büßen. Faust ist verzweifelt, denn der Morgen graut schon, da taucht auch noch Mephistopheles auf und zwingt ihn zur Entscheidung. Margarete wird durch das Erscheinen Mephistos in ihrer Verweigerungshaltung bestärkt (\"Heinrich! Mir graut\'s vor dir!\" V.4610), Faust seinerseits lässt Margarete im Kerker zurück und eilt Mephisto hinterher.
\"Sie ist gerichtet.\"(Mephistopheles) \"Ist gerettet!\" (Stimme von oben)
für schuldig befunden und verurteilt von einem höheren Gericht
von einem weltlichen Gericht entschuldet und begnadigt
der Tat überführt, weil sie die Verantwortung und die
geständig und reumütig Schuld bereitwillig auf sich nimmt
akzeptiert das Urteil und hat sich weil sie auch nur Opfer und
seelisch bereits aus der Welt Werkzeug einer \"Wette\" war
verabschiedet (irre?)
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schuldig durch ihr freies (!) schuldlos in ein Spiel höherer Mächte
Aufbegehren gegen die moralische verwickelt/geraten - dem Schicksal
Ordnung ihrer Gesellschaft: ausgegeliefert
Natürliche Liebe zu Faust!
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Gretchen, nicht Faust, ist die eigentlich tragische Gestalt des
Dramas, denn sie geht an diesem unlösbaren Konflikt zwischen
freiem Menschenwillen (Liebe!) und höherem Götterwillen (Schicksal?)
zu Grunde. Faust aber trägt den Konflikt weiter in sich aus
(\"zwei Seelen, ach, in meiner Brust\") und
wird durch höhere Mächte davor bewahrt, daran zugrunde zu gehen:
weder nimmt sich eine weltliche Gerichtsbarkeit seiner Taten an,
noch leidet er unter größerer Gewissenspein
und er wird auch von keinem himmlischen Gericht bestraft!
Stattdessen bescheren ihm höhere Mächte in paradiesischer Landschaft
den Schlaf des Vergessens und die Gnade einer Wiedergeburt!
(Faust II, Akt I: Anmutige Gegend)
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