Beamter und Künstler; Musiker, Zeichner, Schriftsteller und Säufer; gewiss, Hoffmann trank bis zur Halluzination. »Alle Nerven excitiert von dem gewürzten Wein Anwandlung von Todes-Ahndungen Doppelt-Gänger«, lautet ein Tagebucheintrag vom 6. Januar 1804.
Er trank zur Anregung der Phantasie, bis Gesichte vor sein Auge traten, Schimären, Geister, Kobolde im dunklen Zimmer rumpelten, bis er sich selbst gegenüberstand und mit dem Anderen seines Ichs geheime, furchtbare Zwiesprache hielt.
Ein Geisterseher? Man sollte endlich davon Abstand nehmen. Er schrieb, wenn er wieder nüchtern wurde, wenn sein Verstand das Phantastische dem Realen wieder unterordnen konnte. Aber ein Rest der Alptraumwelt schlug sich in seiner Arbeit nieder; Unheimliches und Irreales bricht dort immer wieder in die dargestellte Welt ein.
Wie kaum ein anderer zu seiner Zeit blickte er hinter die Fassade der Menschen, die sich anschickten, den Weg des Fortschritts zu beschreiten, erkannte die Gefahren und konnte sich dabei seinen Humor bewahren.
Die Perspektive war immer verrückt, das Gravitätische wurde zum Grotesken, das Würdevolle lächerlich, dürre Beine vollführten Bocksprünge, auf Glatzen saßen Fliegen, Hosenlatze standen offen, und die Sprache stolperte, lispelte, schmatzte und raunte.
Vieles lag in seiner Kindheit bereits vorgezeichnet. Er wurde am 24. Januar 1776 in Königsberg geboren. Als Vornamen wurden ihm Ernst Theodor Wilhelm mitgegeben, erst später nahm er, aus Verehrung gegenüber Mozart, den Namen Amadeus an.
Der Vater, ein launenhafter Rechtsanwalt, Original und Säufer, ließ sich vier Jahre nach der Geburt von der hysterischen und fanatisch ordnungsliebenden Mutter scheiden; Hoffmanns älterer Bruder Karl wurde dem Vater, er selbst der Mutter zugesprochen. Sie bewohnten zusammen mit der Großmutter ein geräumiges Haus, aus dessen oberen Stockwerk die irren Schreie einer Wahnsinnigen drangen, der Mutter des späteren Dichters Zacharias Werner, den sie für die Reinkarnation Christi hielt und dementsprechend erzog.
1782 trat er in die reformierte Burgschule in Königsberg ein und gewann dort die Freundschaft Theodor Gottlieb Hippels, die das ganze Leben lang andauern sollte. 1792, im Alter von sechzehn Jahren, begann er das Jura-Studium, 1795 bestand er das Examen zum Regierungs-Auskultators und nahm in Königsberg die Amtstätigkeit auf. Ein Jahr darauf wurde er nach Glogau versetzt; die Unabhängigkeit, die er sich davon erhofft hatte, stellte sich jedoch nicht ein. Er wohnte dort bei seinem Onkel Johann Ludwig Dörffer, einem ebenso steifen Juristen wie sein anderer Onkel. 1798 verlobte er sich mit dessen Tochter Minna. Nachdem Johann Dörffer als Rat zum Gericht nach Berlin berufen wurde, erwirkte er für seinen zukünftigen Schwiegersohn ebenfalls die Versetzung in die preußische Hauptstadt.
Hoffmann erschloss sich eine neue Welt; er besuchte häufig das Theater, komponierte, zeichnete und begann zu schreiben.
1800, er hatte das Assessor-Examen bestanden, trat er den Dienst in Posen an. 1802 löste er die Verlobung mit Minna und heiratete kurz darauf Maria Thekla Rorer-Trzynska, eine gutmütige, warmherzige Frau, die ihm zwanzig Jahre lang zur Seite stand, leidenschaftslos, unromantisch, unkompliziert.
Zum Skandal wurde der Karneval von 1802. Mit Karikaturen mokierte er sich über die Posener Gesellschaft, noch in derselben Nacht, in der die Blätter zirkulierten, ging eine Eilstafette nach Berlin ab, und die bereits ausgestellte Promotionsurkunde wurde annulliert; Hoffmann wurde nach Plock strafversetzt.
Es folgten Jahre der bitteren Armut. Hippel schließlich verwandte sich für seinen Freund, half mit einem Darlehen aus und erreichte, dass Hoffmann nun endlich zum Regierungsrat ernannt wurde und ein entsprechendes Gehalt bekam. Damit einher ging die Versetzung nach Warschau.
Hoffmann wurde hier zum Mitbegründer einer musikalischen Gesellschaft, entwarf Bühnendekorationen und führte zum ersten Mal den Dirigentenstab. 1806 besetzten die Franzosen die Stadt, von den preußischen Beamten forderten sie im Jahr darauf einen Ergebenheitseid, den Hoffmann verweigerte. Er musste die Stadt verlassen.
Zurück nach Berlin. Er versuchte Zeichnungen zu verkaufen, er bot Musikverlagen seine Kompositionen an, er bewarb sich an Theatern, alles ohne Erfolg. Nebenbei lernte er Schleiermacher, Fichte, Varnhagen und Chamisso kennen. Bei seiner Geliebten zog er sich die Syphilis zu.
1808 dann ein Hoffnungsschimmer. Am Bamberger Theater wurde ihm die Stelle eines Kapellmeisters angeboten. Er nahm an. Am 1. September 1808 traf er ein und holte bald seine Frau nach. Im Februar 1809 musste das Theater Konkurs erklären, für Hoffmann allerdings stellte der Aufenthalt in Bamberg einen entscheidenden Wendepunkt dar: er wandte sich nun seiner eigentlichen Berufung zu, der Schriftstellerei.
Bereits im Januar 1809 erschien in der von Rochlitz herausgegebenen Allgemeinen Musikalischen Zeitung seine erste Erzählung, Ritter Gluck.
1810, Hoffmann war am nun neu formierten Theater als Direktionsgehilfe tätig, begann er mit der Niederschrift der dreizehn Kreisleriana, die 1814 in der ersten Novellensammlung Fantasiestücke in Callots Manier erschienen. Daneben komponierte er nach wie vor Musikstücke und Opern; er erteilte Gesangsunterricht und verliebte sich dabei in seine Schülerin Julia Marc.
Ein Ausbruch heftigster Leidenschaft; Paroxysmen wechselten mit Gefühlen der Gleichgültigkeit, und das täglich, fast stündlich, insgesamt zwei Jahre lang.
1812 wurde Julia verheiratet. Zur Liebesenttäuschung kamen finanzielle Probleme. Als ihm eine Kapellmeisterstelle in Dresden offeriert wurde, verließ er Bamberg. Bis 1814 blieb er in Dresden, arbeitete am Theater, erlebte die französische Besatzung und schrieb. Unter anderem entstanden hier Der Magnetiseur, Der goldene Topf, Der Sandmann, der erste Teil der Elixiere des Teufels, der 1815 erschien, und der zweite Teil, der 1816 in Berlin herauskam.
1814, nach seiner Entlassung aus dem Dresdner Theater, verschaffte Hippel ihm eine Stelle im Justizministerium. Hoffmann kehrte nach Berlin zurück. Die Arbeit ließ ihm genügend Zeit, um seiner Schriftstellerarbeit nachzugehen.
Ab 1816 bereitete er eine zweite Sammlung von Erzählungen vor, die Nachtstücke. Er hatte Umgang mit Tieck, Fouqué, Chamisso, Eichendorff, Humboldt, fast täglich traf er sich mit dem Schauspieler Devrient in der Weinstube Lutter und Wegener.
Bereits schwer krank, verfasste er die Werke seiner letzten Jahre: u.a. 1818 Das Fräulein von Scuderi, 1819 Klein Zaches genannt Zinnober, 1819 bis 1821 die Lebens-Ansichten des Katers Murr; 1819 bis 1821 erschienen seine gesammelten Erzählungen und Märchen in den vierbändigen Serapionsbrüdern.
Nachdem er im Oktober 1819 zum Mitglied der Immediat-Commission zur Ermittlung hochverräterischer Verbindungen ernannt wurde, geriet er schnell in Konflikt mit dem Polizeidirektor von Kamptz. Hoffmann, der einerseits pflichtgetreu seine Aufgaben als Beamter erledigte, weigerte sich bald, die polizeiliche Willkür gegenüber liberalen und demokratischen Bewegungen zu unterstützen. Er erwirkte seine Demission, konnte es sich jedoch nicht verkneifen, im 1822 beendeten Meister Floh der Figur des mittelgradig schwachsinnigen Spitzels Knarrpanti die Züge des Polizeidirektors zu verleihen. Eine Disziplinaruntersuchung war die Folge, das Manuskript des Meister Floh wurde beim Verleger beschlagnahmt und durfte dann nur zensiert in Druck gehen. Erst 1908 erschien erstmalig der vollständige Text.
Hoffmann, der vom Tod gezeichnet seinen Lehnstuhl nicht mehr verlassen konnte, erlebte das Ende des Prozesses nicht mehr. Am 25. Juni 1822 starb er, 46 Jahre alt. Er liegt auf dem Friedhof bei der Jerusalemer Kirche in Berlin begraben.
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