Die Entstehungsgeschichte der Iphigenie reicht vom Jahre 1779, in dem Goethe die erste Fassung des Schauspiels in nur dreiundvierzig Tagen niederschrieb, bis zum Jahre 1787, in dem er das Stück in der Form, wie es heute überliefert ist, beendete. Im Vergleich zu den sechzig Jahren, in denen er am Faust gearbeitet hat, scheinen die acht Jahre Arbeit an der Iphigenie fast ein Kinderspiel. Eher zufällig setzte Goethe seiner Arbeit ein Ende. Indem er in der Italienreise, der Fertigstellung der Iphigenie, bemerkte:
"So eine Arbeit wird eigentlich nie fertig, man muss sie für fertig erklären, wenn man nach der Zeit und den Umständen das Möglichste getan hat."
Das Goethe sein möglichstes getan hat belegen die zahlreichen Überarbeitungen der Iphigenie. Am 14. Februar 1779 beginnt Goethe die Niederschrift der Iphigenie in Prosa, am 28. März ist das Stück bereits beendet, am 6. April wird es auf der Liebhaberbühne in Weimar uraufgeführt, wobei Goethe die Rolle des Orest übernahm.
Das Goethe erst in der höfischen Welt Weimars, in der er seit dem Jahre 1775 vorwiegend administerielle Aufgaben übernahm, hinter denen seine dichterische Produktion zurückstehen musste, zu dem klassischen Geist der Antike fand, scheint dem französischen Beispiel analog auf ein harmonisches Verhältnis von Hof und Dichtung hinzuweisen. In Wirklichkeit aber war bereits die Niederschrift der ersten Fassung von einer inneren Spannung bestimmt. Während der Arbeit an der Iphigenie war Goethe damit beschäftigt, Rekruten für den Krieg Preußens gegen Österreich auszuheben. Der friedliche Geist seines Werkes steht also im extremen Gegensatz zu der Realität der damaligen Zeit in Weimar. Die endgültige Fassung der Iphigenie hat Goethe erst während seiner Italienreise fertiggestellt.
Erst 1786 legte er eine nochmals überarbeitete Version dem Leipziger Verlag Göschen vor. Er versuchte dem Drama ein neues Versgewand zu geben, dies machte jedoch schon bald Schwierigkeiten, wie Goethe Herder mitteilte:
Ich bin in große Not geraten, die ich dir sogleich anzeigen und klagen muß. Nach deinem Abschied las ich noch in der Elektra des Sophokles. Die langen Jamben ohne Abschnitt und das sonderbare Wälzen und Rollen des Periods, haben sich mir so eingeprägt, dass mir nun die kurzen Zeilen der Iphigenie ganz höckerig, überklingend und unlesbar werden. ( Brief an Herder vom 1.9.1786 )
Goethe suchte also eine neue Art sein Drama zu verfassen. Er wählte dazu in Absprache mit Herder den sog. Blankvers, einen fünffüßigen Jambus.
In dieser Form erscheint uns auch heute das Drama.
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