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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Dieter noll - biographie/ vergleich mit den abenteuern des werner holts


1. Drama
2. Liebe

MEYERS KLEINES LEXIKON (VEB Bibliographisches Institut Leipzig, 1968, Zweiter Band) vermerkt über Dieter Noll: \"Noll, Dieter, geb. 31.12.1927, sozialist. Schriftsteller; schrieb neben Erzählungen und Reportagen über den sozialist. Aufbau in der DDR den Entwicklungsroman (1.

     Bd. , 1960, verfilmt; 2. Bd. , 1963), der das Kriegs- und Nachkriegserlebnis seiner Generation gestaltet. Nationalpreis, Literaturpreis des FDGB.\" Das Buch \"Die Abenteuer des Werner Holt\" war in den Schulen der DDR Pflichtlektüre.

     Der Apothekerssohn, dessen Mutter die Nationalsozialisten wegen \"nichtarischer Abstammung\" verfolgten, wurde mit 15 Jahren Luftwaffenhelfer, später Soldat. Bei Kriegsende geriet er in amerikanische Gefangenschaft. 1946 trat er in die KPD ein. Nach dem Studium der Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte in Jena arbeitete er als Journalist, seit 1956 als freier Schriftsteller. Noll, der zunächst Reportagen und Erzählungen schrieb, gelang mit dem zweibändigen Entwicklungsroman Die Abenteuer des Werner Holt ein bedeutendes Werk der \"Ankuftsliteratur\". Er durchbrach damit das bis dahin gültige literarische Muster, den Übergang vom Nationalsozialismus zum Aufbau der DDR in der Figur eines antifaschistischen Widerstandskämpfers zu idealisieren, der sich bruchlos zum sozialistischen Vorbild weiterentwickelt.

     Mit der Figur des Werner Holt versucht Noll, den widersprüchlichen Erfahrungs- und Erkenntnisprozeß einzufangen, die Um- und Irrwege, die ein Parteigänger des Nationalisozialismus geht, ehe er im Sozialismus eine neue Perspektive für sich findet. Den geplanten dritten Band, der das Leben des Sozialisten Holt als positive Bestandsaufnahme der DDR-Gesellschaft darstellen soll, schrieb Noll nicht mehr. Statt dessen erschien 1979 der Roman Kippenberg, eine kritische Auseinandersetzung mit der figur des Planers und Leiters, der seine wissenschaftliche Verantwortung längst der Karriere geopfert hat. doch Noll biegt die kritische Anlage seines Romans ab. Am Ende sind beruflicher Aufstieg und Engagement für den Sozialismus wieder versöhnt. Am 22.

    05.1979 veröffentlichte das NEUE DEUTSCHLAND einen offenen Brief an Erich Honecker, in dem Noll Stefan Heym, Joachim Seyppel und Rolf Schneider als \"kaputte Typen\" denunziert, die \"mit dem Klassenfeind kooperieren, um sich eine billige Geltung zu verschaffen\". Nolls Brief bereitete ideologisch den Ausschluß der genannten und sechs weiterer Autoren aus dem Schriftstellerverband am 07.06.1979 vor.\" Aus: Killy, Walter.

     Literaturlexikon. Die Abenteuer des Werner Holt\" Oder: Mein Jugendfreund Dieter Noll (roe) Wir zwei waren die gegensätzlichsten Naturen, die man sich denken kann: Dieter: mittelgroß, dunkeläugig und kraushaarig, von eher gedrungener, mittelgroßer Statur und manisch-depressivem Gemüt; ich: blond, mit 180 cm Körpergröße schlank und mit den Merkmalen ausgestattet, die mich in dieser Zeit unter die Kategorie \"nordisch-arisch\" einordneten; er: grüblerisch, zugleich chamäleonartig anpassungsfähig und deshalb auch, wenn vonnöten, ein guter Gesellschafter; ich wiederum ein wahrscheinlich etwas einfältiger, aber eben darum effizienter Anhänger des Dritten Reichs und seiner herrschenden Ideologie, soweit ich sie kannte und verstand - aber im wesentlichen doch wohl eher das, was man heute einen \"Militaristen\" nennen würde. Mein Spitzname sollte nicht ohne Grund zeitweilig \"Wehrbauer\" lauten. Dieter ist der Sohn einer halbjüdischen Mutter, die 1943 nach Theresienstadt eingeliefert wurde, und eines nichtjüdischen Apothekers. Ich bin Sprößling einer Frau, die in der Zeit der Weltwirtschaftskrise vom Protestantismus zu den \"Zeugen Jehovas\" konvertierte - welches Faktum ihr ab 1938 weit über ein halbes Jahrzehnt lebensbedrohlichen Aufenthalts im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück einbrachte - und eines Mannes, der als Stabsoffizier der Fliegertruppe und am Ende des Krieges als Kommandeur eines Luftwaffenfeldregiments Dienst tat. Wir beiden Halbwüchsigen schlossen Freundschaft, wie das so unter 15- (ich) bis 16jährigen (Dieter) Jungen so üblich ist, ohne es zunächst zu bemerken.

     Ab der 5. oder 6. Klasse der \"Oberschule für Jungen\", wie das Realgymnasium in der sächsischen Großstadt seinerzeit firmierte, schrieb ich vor Unterrichtsbeginn seine Mathe- und Physikarbeiten ab. Im Gegenzug warnte ich ihn vor Übergriffen der Mitschüler, die ihn mehr als einmal verprügeln wollten. Ohne jeden ersichtlichen Grund, nur so, möglicherweise, weil er ihnen irgendwie fremd anmutete. Mich erinnerte die aggressive Haltung seiner \"Kameraden\" an das Verhalten meiner früheren Berliner Volksschulklasse gegen einen Buben mit Familiennamen Mangold.

     Wir haben den armen Kerl mehrfach auf dem Schulweg verhauen, wohl weil wir wußten, daß er Jude war. Ich schäme mich noch heute dafür und hoffe von Herzen, daß das Knäblein den wenige Jahre später einsetzenden Holocaust überlebt hat. Berichten möchte ich aber weniger von unserer Schulzeit als zunächst von unserem Dienst als Luftwaffenhelfer, der für den Jahrgang 1928 (Dieter ist bereits am 31. Dezember 1927 geboren, daher sein zweiter Vorname \"Sylvester\") am 5. Januar 1944 in einer zunächst ortsfesten Batterie der Heimatflak begann. Die Einheiten der Luftverteidigung gegen angloamerikanische Bombenangriffe waren ringförmig um unsere Großstadt stationiert.

     In den sechs Wochen Grundausbildung wurden wir von den Wachtmeistern und Unteroffizieren sowie Obergefreiten mächtig \"geschliffen\". Wir robbten durch jeden Dreck im Batteriegelände, rasten im \"Sprung auf, marsch, bis zum Horizont\", landeten beim Befehl \"Hinlegen\" wiederum im Matsch und wurden trotz größten Bemühens um korrekte Ausführung aller Befehle stets, wie es im Landserjargon hieß, \"angeschissen\". Der größte Leidtragende während dieser Ausbildungsperiode aber war Dieter. Nicht eigentlich, weil er ein \"unmilitärisches Fressen\" gewesen wäre, wie man damals sagte. Noll konnte sowohl dem Unterricht an der und über die 8,8cm-Kanone (genannt \"Russenspritze\", weil Beutegut) sehr gut folgen, und auch in der Flugzeugerkennung sowie in Flakschießlehre war er hervorragend, weil mit schneller Auffassungsgabe und wacher Intelligenz ausgestattet. Unser Batteriechef, ein Hauptmann der Reserve, der im bürgerlichen Beruf eine höhere Angestelltenfunktion in einem Betrieb ausfüllte, zugleich ein fanatischer NS-Anhänger, der die schwarze Uniform der \"zivilen\" SS im Schrank hängen hatte, hegte jedoch eine offensichtlich unüberwindliche Abneigung gegen Dieter.

     Noll war, um in der Klassifizierung der \"Nürnberger (Rasse-)Gesetze\" zu sprechen, ein \"Mischling zweiten Grades\" oder \"Vierteljude\". Damit war er wohl eine singuläre Erscheinung: Es dürfte seinesgleichen kaum nochmals im Luftwaffenhelferkorps gegeben haben. Für den Batteriechef war diese Tatsache wohl der Auslöser, um Dieter nach Kräften nicht nur von den Unterführern schikanieren zu lassen, sondern um auch selbst sein Mütchen an ihm zu kühlen. Beliebter Tatort war der allmorgendlich stattfindende Appell. Dieses Antreten der gesamten Batteriemannschaft diente nicht nur der Feststellung der Anwesenheit, sondern wurde auch exzessiv genutzt, den Jungen zu zeigen, was eine Harke war. Ein Dialog ist mir noch fast wörtlich in Erinnerung: Unteroffizier beim Kontrollieren der Erkennungsmarken, jener ovalen Aluminiumdinger, die jeder Soldat stets um den Hals gehänt tragen mußte, damit im Todesfalle seine Identität festgestellt werden konnte: \"Luftwaffenhelfer Noll, wo ist Ihre Erkennungsmarke?\" Noll: \"Im Spind, Herr Unteroffizier!\" Unteroffizier: \"Da hängt sie ja gut, Noll.

     Ich sehe Sie heute nachmittag mit Spind und Erkennungsmarke in der Schreibstube!\" Nun muß man wissen, daß wir in unserer Unterkunft, einer ehemaligen Baracke des Reichsarbeitsdienstes (RAD), Doppelschränke aus Blech stehen hatten, die ein solides Gewicht aufwiesen. Noll mußte sich darum mit meiner und der Hilfe weiterer Stubenkameraden den sperrigen und schweren Spind auf den Rücken hieven lassen, um dann wankenden Schritts die rund 150 Meter bis zur Schreibstube hin- und zurückzulegen. Ein anderes Mal, wiederum beim Appell, monierte der Batteriechef die Beschaffenheit der Nollschen Kragenbinde. Dieser Stoffstreifen war eine Erfindung des Teufels. Er wurde in den Uniformkragen eingeknöpft und nahm , wenn man ihn nicht nach einem Tag auswechselte, eine schmutzige Färbung an. Das Auswechseln hatte Dieter, der zugegebenermaßen nicht unter Waschzwang litt, zum wiederholten Male vergessen.

     Hauptmann K.: \"Noll, Sie elende Wildsau, wie laufen Sie rum?! Da hat ja jeder Kaffer einen saubereren Hals! Ich werde Ihnen schon beibringen, was Reinlichkeit bei den Soldaten heißt, Sie nachgemachter Mensch!\" Noll, von der freundlichen Ansprache ziemlich erschüttert: \"Jawohl, Herr Hauptmann! Ich versichere Herrn Hauptmann, daß es nicht wieder vorkommen wird.\" (Offiziere mußten von ihren Untergebenen in der Dritten Person angesprochen werden). Der Batteriechef: \"So billig kommen Sie mir nicht davon, Noll.\" Dann, plötzlich losschreiend: \"Luftwaffenhelfer Schreiber (Name geändert), Sie sorgen dafür, daß der Noll jeden Morgen einen blitzsauberen Hals hat - und zwar mit der Wurzelbürste. Und lassen Sie sich dabei von Ihren Stubenkameraden helfen!\" Nach zwei, drei neuerlichen Appellen glich Dieters Hals einem rohen Beefsteak.

     Die scharfe Bürste hatte ihm den Hals fast bis aufs Blut aufgescheuert. Warum die Kameraden sich an dieser Marterung beteiligten? Die Antwort ist simpel: Hätten sie nicht wunschgemäß verfahren, wäre für sie eine ähnliche Schikane angeordnet worden. So hat der Schreiber dieser Zeilen beispielsweise wegen eines lächerlichen \"Vergehens\", das in keiner Weise seine oder die Einsatzbereitschaft der Batterie gefährdete, mit einer Zahnbürste (!) die Latrine reinigen müssen. Am deutlichsten manifestierte sich die geradezu wüste Abneigung, die der Batteriechef gegen Noll hegte, an einem Tage, als der Hauptmann vor der angetretenen Batteriemannschaft den 16jährigen LwH wegen irgendeiner Lappalie anschrie: \"Noll, Sie Judenbengel, man sollte Sie an den Baum binden und auspeitschen!\" Von den Oberhelfern - in der Regel durfte ein Luftwaffenhelfer, wenn er seine Pflicht erfüllte, nach sechs bis neun Monaten Dienst an der Kanone oder auf dem Befehlsstand einen silbernen \"Hering\" als Zeichen dieses höheren Rangs auf seine Schulterklappe heften - liebten einige den Kameraden Noll auch nicht. Und so kam denn mehr als einmal der \"Heilige Geist\" zu ihm. Erläuterung: Das war ein nächtlicher Besuch, der dem jeweiligen Delinquenten etliche Kochgeschirre voll eiskalten Wassers nach dem Raub der Decke ins Bett und auf den entblößten Bauch schüttete.

     Das Opfer sprang, erschrocken ob des plötzlichen Gusses, nackt oder im Nachthemd von seine Strohsack, um dann auch noch etliche Schläge mit dem Koppel abzubekommen, was ziemliche Striemen hinterließ. Der so Mißhandelte hatte die Nacht lang zu tun, sein Bettzeug wieder zu trocknen. Auch bei der sogenannten Leitungsprobe, bei der die Kommunikationseinrichtungen Geschütze-Befehlsstand (B2) bzw. umgekehrt von einem jeweils eingeteilten Luftwaffenhelfer allabendlich überprüft wurden, erwischte es den Dieter: Ihm flog blitzschnell von hinten eine Decke über den Kopf. Dem nunmehr Sehbehinderten wurden, ehe er sich versehen hatte, Hose nebst Unterhose geraubt, und anschließend klatschten ihm derbe Schläge auf den blanken Hintern. Zuguterletzt kremte man ihm den Allerwertesten mit schwarzer Schuhwichse ein.

     Ich muß festhalten, daß nicht nur Noll drangsaliert wurde. Manche Unteroffiziere und Mannschaftsdienstgrade der Batterie machten sich ein Vergnügen daraus, den Luftwaffenhelfern insgesamt \"einzuheizen\". Vielleicht lag dies unter anderem im Klassenunterschied begründet. Die Luftwaffenhelfer unserer Batterie waren ausschließlich klassenweise \"zur Erfüllung der Jugenddienstpflicht herangezogene\" Oberschüler, die Flaksoldaten und niedrigen Chargen unter den Ausbildern hingegen zumeist Volksschulabgänger. Und so war die gegenseitige Abneigung tief und herzlich. Man muß aber auch von Ausnahmen sprechen.

     Der Hauptwachtmeister, den Noll in seinem Roman \"Die Abenteuer des Werner Holt\" mit dem Aliasnamen \"Gottesknecht\" versehen hat, war eine solche. Dieser Spieß der Batterie war ein fürsorglicher \"Vater\" seiner Jungen, der alles in seinen Möglichkeiten Stehende tat, uns die LwH-Zeit zu erleichtern. Nach der Ausbildung besserte sich das Klima zwischen Soldaten und den LwH wesentlich. Dies Zeit als Luftwaffenhelfer wurde von uns 15- und 16jährigen keineswegs einhellig als unangenehm oder gar gefährlich empfunden. Während die einen sie hinnahmen als lästigen, aber dennoch notwendigen Dienst fürs Vaterland, entwickelten andere eine Landsermentalität (\"Die können mich doch alle am Arsch lecken\"), und die dritte Kategorie, zu der ich gehörte, nahm sie als Vorbereitung auf den Offiziersberuf (\"Wer nicht gehorchen gelernt hat, der kann auch nicht befehlen\"). Noll fiel unter keine der vorgenannten Rubriken.

     Für ihn stellten sich die reichlich zehn Monate, die er in unserer Batterie Dienst tat, als \\\'dcberlebenskampf dar. Und so war es wohl auch in der Tat: Seine Mutter, längst nach Theresienstadt deportiert, stand ihm stets als warnendes Beispiel vor Augen. Nur ein falsches politisches oder als Wehrkraftzersetzung auslegbares Wort, und er wäre als \"jüdisch versippt\" den gleichen Weg gegangen. Noch etwas ist im Zusammenhang mit dem Luftwaffenhelferbewußtsein zu notieren: Die überwiegende Mehrzahl der Jungen, erzogen in der HJ und im Deutschen Jungvolk, wertete die Luftwaffenhelferperiode so, wie es in der Entlassungsurkunde hieß: \"Otto Meier hat in der Zeit vom ...

     bis ... als Luftwaffenhelfer beim Flakregiment XY dem Vaterland in seinem Kampf um Recht und Freiheit gedient\". Es versteht sich von selbst, daß Noll es so nicht sehen konnte, aber aus Gründen der Selbsterhaltung gezwungen war, Begeisterung für den LwH-Dienst vorzugeben. Dieters Vater, der Apotheker, hatte als Tinkturenbasis zwei größere Fässer mit Alkohol im Keller stehen.

     Sein Sohn beschloß, das häufig recht eintönige LwH-Leben mittels dieser Alkoholvorräte lustiger zu gestalten. Er zapfte vom väterlichen Vorrat von Zeit zu Zeit flaschenweise Sprit ab, den meine Stiefmutter, die später als \"Gerti\" in Nolls Roman zu zweifelhafter Berühmtheit gelangen sollte, kunstfertig zu Likören verbraute. Wenn Dieter und ich gemeinsam Nacht- oder Tagesausgang hatten, wurden Gertis Kreszenzen in unserer Wohnung in unbekömmlich großen Mengen zu dritt oder in erweiterter Gesellschaft konsumiert - der Krieg blieb für diese Zeit draußen vor, zumal die Stadt, in der wir wohnten und deren Luftraum wir zu schützen hatten, sehr lange Zeit von Bombenangriffen verschont blieb. Kurz und schlecht: Wir und weitere Kameraden betranken uns mehr als einmal heftig, und wenn wir wieder im Batteriegelände auftauchten, sahen wir wie Wasserleichen aus. Die Apotheke hatte noch einen weiteren Vorteil, weil sie Dieter erlaubte, gewisse Wachhaltemedikamente wie Pervitin zu \"organisieren\". Ohne diese nicht ungefährlichen Tabletten wären wir beim I-Dienst (Infanteriedienst) leicht aus den Schuhen gekippt.

     Heute halte ich es nicht für unmöglich, daß ich mir damals einen Herzklappenfehler eingehandelt habe. Wer mehr über das \"ernsthafte\" Luftwaffenhelferdasein erfahren will, möge auch heute noch einmal Nolls Roman \"Holt\" lesen. Er überzeugt durch weitestgehende Detailgenauigkeit. Den zweiten Teil kann er sich ersparen, weil der Autor dieser Fortsetzung offensichtlich auf das Wohlwollen vor allem der kommunistischen Machthaber und ihrer Partei spekulierte. In Band zwei erlahmte auch die erzählerische Kraft und die Farbigkeit, die Dieter seiner auch literarisch anspruchsvollen Arbeit zunächst zu geben wußte. Nach der Entlassung als Luftwaffenhelfer und kurzem Dienst beim Reichsarbeitsdienst wurde Noll zur Wehrmacht eingezogen.

     Sein Einsatz bei der kämpfenden Truppe erfolgte in Schlesien, und er erzählte mir einmal nach dem Krieg ein traumatisches Erlebnis. In der vordersten Linie wurde er in seinem Schützenloch bei einem gegnerischen Angriff von einem sowjetischen T 34-Panzer überrollt. Schlimmer noch: Der Kampfwagen begann sich auf der Stelle zu drehen, um das Loch und damit auch den Deutschen zusammenzudrücken. Als der Panzerfahrer glaubte, sein menschenfreundliches Werk vollbracht zu haben, rollte das Fahrzeug weiter. Noll sagte später zu mir: \"Ein Wunder, daß ich dabei keine weißen Haare bekommen habe.\" Dieter überlebte also, und Anfang 1946 trafen wir uns in einer Klasse der Neulehrerbildungsanstalt in unserem Heimatort wieder.

     Nach dem Durchlaufen dieses neunmonatigen Seminars \"machte ich rüber\" in den Westen. Eigentlich nur aus familiären Gründen, denn die Begeisterung für einen scheinbar vielversprechenden Neuanfang in der SBZ war noch vorhanden. Beleg: Dieter und ich demonstrierten gemeinsam unter gewaltigen roten Fahnen und gleichfarbigen Transparenten für die Vereinigung der beiden Arbeiterparteien KPD und SPD. Zum letzten Mal sahen wir uns in Berlin bei den \"3. Weltfestspielen der Jugend und Studenten\", einer gewaltigen, emotional aufheizenden Veranstaltung. Bei diesem Treffen vom 5.

     bis 19. August 1951 gestand mir Dieter, während seines vorhergehenden Studiums in Jena - im \"lieben närrischen Nest\", dem er eine literarische Reportage gewidmet hat - zeitweilig \"ideologische Bauchschmerzen\" verspürt zu haben. Sie legten sich wohl, sonst hätte er nicht Jahrzehnte später, im Anschluß an den Schriftstellerkongreß im Mai 1978, Kollegen in einem Offenen Brief linientreu angemistet: \"Einige wenige kaputte Typen wie die Heym, Seippel oder Schneider, die da so emsig mit dem Klassenfeind kooperieren, um sich eine billige Geltung zu verschaffen ... repräsentieren gewiß nicht die Schriftsteller unserer Republik.

    \" Nolls Stimme, des Autors des vielgelesenen Romans \"Die Abenteuer des Werner Holt\" (zwei Bände), für den er mit einem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet wurde (ein späteres Buch, \"Kippenberg\",kann man wegen fragwürdiger Qualität vergessen!) und des Lyrikbandes \"In Liebe leben\" ist verstummt. Der wohl vom Untergang der Deutschen Demokratischen Republik zutiefst verstörte Schriftsteller lebt heute im Umkreis von Berlin so zurückgezogen, daß er nicht einmal mehr mit Freunden aus der Jugendzeit Kontakt aufnehmen will. Meine derartige Anfrage hat er jedenfalls abgelehnt. [Hinweis der Redaktion: \"Die Abenteuer des Werner Holt\" war in den Schulen der DDR Pflichtlektüre.]

 
 

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