Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.
Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohne unterlaß;
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
am Strande weht das Gras.
Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.
Das Gedicht "Die Stadt" von Theodor Storm ist eindeutig im realistischen Still verfaßt da er die Stadt ohne Beschönigungen einfach so beschreibt wie sie ihm erscheint. Die Revolution von 1848 hatte auch in der Literatur ein Umdenken bewirkt. Die veränderte Szenerie bewirkte ein neues Bewußtsein. Die Dichter standen den Geschehnissen mit einem neuen geschärften Wirklichkeitsbewußtsein gegenüber. Die Dichtung der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts läßt sich auch als "so seins Dichtung" charakterisieren, alles wird sozusagen wie in der Photographie durch einen etwas abschwächenden Filter gesehen.
Theodor Storm verwendete für das drei strophige Gedicht das Versmaß Jambus. Das Reimschema des Gedichtes ist abaab/cdccd/eaeea. Es finden sich auch unreine Reime in dem Gedicht zB.: Mai-Schrei, für-dir.
Strom bediente sich nur weniger Stilmittel um die Stadt am Meer zu beschreiben, trotzdem gelang es ihm sehr gut die Stimmung der Stadt für den Leser greifbar zu beschreiben. Es entsteht zum Beispiel ein sehr deutliches Bild von der Meeresstimmung indem er das Stillmittel der Onamatopoesie einsetzt, Zitat (1.Strophe, Zeile 3) "braust das Meer" ein weiteres Beispiel für Lautmalerei ist, Zitat (2.Strophe, Zeile 1) "rauscht kein Wald". Das Gedicht beinhaltet auch eine Verbmetapher, Zitat (3.Strophe, Zeilen 3-4): "Der Jugend Zauber für und für ruht lächelnd noch auf dir"
"Die Stadt" ist eigentlich eine Landschaftsbeschreibung. Das Thema einer Stadt am Meer findet sich auch in einigen von Storms Novellen. In "Der Schimmelreiter", Aquis submerus" und in "Hans und Heinz Kirch" spielt das Meer eine große Rolle. Der Dichter verleiht der "Landschaftsbeschreibung" jedoch noch zusätzlichen Charakter indem er der objektiven Betrachtung der Stadt noch seine subjektive Betrachtungsweise in Form von Jugenderinnerungen beifügt. Die beschriebene Stadt ist nämlich Theodor Storms Heimatstadt Husum, die in Friesland an der Nordsee liegt. Husum gehörte zu Storms Lebzeiten zum Herzogtum Schleswig, das ein Teil von Dänemark war. Wahrscheinlich verbindet er so viele Gefühle mit seiner Heimatstadt, da er diese nach dem Kampf der Schleswig-Holsteiner um Unabhängigkeit von Dänemark für rund 15 Jahre verließ. Nachlesen kann man auch seine Liebe für seine norddeutsche Heimat anhand des Buches "Liederbuch dreier Freunde", das Volkslieder der Heimat beinhaltet und welches er mit zwei Freunden 1843 veröffentlichte. Des weiteren veröffentlichte er mit den selben Freunden eine Sammlung von plattdeutschen Reimen und Sagen.
Er beschreibt die Stadt am Meer als öde und drückend, Zitat (1. Strophe, Zeile 3,5) "Der Nebel drückt die Dächer schwer....eintönig um die Stadt". Er unterstreicht allerdings auch die Gefühle die er für seine alte Heimatstadt hat indem er schreibt, Zitat (3.Strophe) "Doch hängt mein ganzes Herz an dir, du graue Stadt am Meer; der Jugend Zauber für und für ruht lächelnd doch auf dir, auf dir du graue Stadt am Meer."
Theodor Storm wollte, ganz im Stil des Realismus, einfach eine Stadt beschreiben so wie sie ist. Allerdings schmückt er die objektive Landschaftsbeschreibung noch mit subjektiven Bezügen (Erinnerungen) aus.
Das besondere an diesem Gedicht ist die großartige Stimmung die Storm erzeugte. Der eigentliche Inhalt rückt durch das erzeugte Stimmungsbild fast in den Hintergrund. Mir gefällt das Gedicht, da es auf Grund des Stimmungsbildes ergreifend ist.
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