Der Sprachstand des Romans ist mehr als 200 Jahre alt. Daher müssten zahlreiche Wörter und Fügungen erklärt werden. Oft lassen sie sich schnell erschließen (betriegen - betrügen, modeln - formen), vieles kann man im Wörterbuch nachschlagen (simpeln - einfach, unschuldig; inkommodieren - belästigen) und manches ist aus dem Kontext (schlecht - krank) zu erklären.
Wesentliche Gesichtspunkte der Werther'schen Sprache:
Auffällig ist das Vorherrschen parataktisch aneinander gereihter Hauptsätze, nur selten unterbrochen von etwas komplizierteren Satzgefügen.
Unterbrochen werden die Sätze durch Ausrufe, leidenschaftliche Wendungen an den Empfänger der Briefe ("bester Freund, "mein Bester") und in Parenthesen eingeschobene Ausrufe und Beteuerungen ("Gott weiß, warum sie so gemacht sind!").
In Werthers Briefen tauchen auch laufend Inversionen auf. Um seinen ganzen Zorn über Alberts Beschränktheit und Verständnislosigkeit in der Selbstmorddiskussion zum Ausdruck zu bringen, stellt Werther im folgenden Beispiel den Dativ, in diesem Fall den Namen Albert an den Anfang des Satzes: "Alberten war das zu allgemein gesprochen." (S. 47)
Zur Sprache der Leidenschaft gehören neben den zahlreichen Wiederholungen auch Variationen, Steigerungen und Häufungen des Ausdrucks, die sich exemplarisch an Werthers letztem Brief aufzeigen lassen:
"Jetzt noch mein, dein! dein, o Geliebte! Und einen Augenblick - getrennt, geschieden - vielleicht auf ewig? - Nein, Lotte, nein - Wie kann ich vergehen? wie kannst du vergehen? Wir sind ja! - Vergehen! - [.] Tot, Lotte! eingescharrt der kalten Erde, so eng! so finster! - [.] Ich stürzte neben das Grab hin - ergriffen, erschüttert, geängstigt, zerrissen mein Innerstes, aber ich wusste nicht, wie mir geschah - wie mir geschehen wird - Sterben! Grab! ich verstehe die Worte nicht!
O vergib mir! vergib mir! Gestern! Es hätte der letzte Augenblick meines Lebens sein sollen. O du Engel! Zum ersten Male, zum ersten Male ganz ohne Zweifel durch mein innig Innerstes durchglühte mich das Wonnegefühl: Sie liebt mich! Sie liebt mich! Es brennt noch auf meinen Lippen das heilige Feuer, das von den deinigen strömte, neue, warme Wonne ist in meinem Herzen. Vergib mir! vergib mir!" (S. 120)
Werthers Sprache ist stark geprägt von Ausdrücken, die dem religiösen Sprachgebrauch entstammen, die hier aber nicht verwendet werden, um ein religiöses Erlebnis, sondern eine höchst weltliche Liebeserfahrung darzustellen ("durchglühen", "das heilige Feuer", "strömen", "innig", "Innerstes").
Der religiöse Mensch leidet in der Nachfolge Jesu, der am Kreuze den Opfertod für die Menschen starb. So wie Jesus am Kreuze litt und starb, so stirbt Werther den Opfertod - für Lotte. Im Brief vom 15. Nov. setzt Werther sein Leiden eindeutig in Analogie zur Leidensgeschichte Jesu.
Eine weitere Besonderheit des Romans ist, dass Goethe beim Leser umfangreiche Literatur- und zeitgenössische Kunstkenntnisse voraussetzt, die heute nicht mehr vorhanden sind.
Literarisch betrifft das z.B. Homer, Ossian.
Künstlerisch v.a. die Gartenbaukunst, Kunsttheorie z.B. Sulzer und Kunstpsychologie z.B. Lavater.
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