Rom gehörte zu den Bildungsreisen wie Paris, London oder Amsterdam. Hier machte im Jahr 1765 der Dresdner Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff die Bekanntschaft mit Winckelmann. Dessen Einfluß und Erdmannsdorffs gesammelten Erfahrungen, besonders aus den Werken Palladios, schufen die Grundlage für den ersten klassiz. Bau Deutschlands - das Schloß bei Wörlitz (1769-1773). Das Gebäude verzichtete auf jeden barocken Aufwand, strahlte Einfachheit und Ruhe aus. Aber auch die Umgebung wurde anders gestaltet - nicht der streng-symetrische franz. Barockgarten umgab es, sondern der engl. Landschaftsgarten. In diesem forderten architektonisch oder skulptural betonte Stätten zur Erinnerung auf, zum melancholischen In-sich-gehen; Urnen und Ruinen lösten wehmütige Stimmungen und Gedanken an die Vergänglichkeit aus.
Welche Wirkung der gesamte Entwurf auf Architekten hatte, zeigt ein Ausschnitt aus einem Brief von Carl Gotthard Langhans (1732-1808), als er für zwei Tage im Jahr 1775 in Wörlitz weilte. Er schrieb, daß er "brenne vor Verlangen, bald in Dyhernfurth etwas in dieser Art anlegen zu können".
Die neuen Ideale trafen natürlich nicht nur bei den Architekten auf offen Ohren, sondern auch bei den Herrschern der Höfe. So entwickelte sich Berlin im Gebauten, mehr aber noch in den Entwurfsfähigkeiten und pädagogisch und publizistischen Intentionen zu einem Zentrum der klassiz. Architektur in Deutschland. Nach dem Tod Friedrich II 1786 war sein Nachfolger auf dem preußischen Thron Friedrich Wilhelm II bestrebt, die aus dem siebenjährigen Krieg hervorgegangene politische und ökonomische Stärke des Staates zu festigen. Aus diesem Grund holte er die führenden Architekten des neuen Stils nach Berlin. So kam 1786 Langhans aus Breslau und 1788 folgten ihm Erdmannsdorff aus Dessau und David Gilly aus Stettin. Sie bekamen leitende Positionen als Beamte und sind wohl als der Nährboden für die kommenden Architekten zu sehen. Eines der wohl bekanntesten Werke dieser frühen Phase war das Brandenburger Tor von Langhans aus den Jahren 1788-91.
In die Bauphase dieses Objektes fiel die franz. Revolution 1789. Der Umsturz eines absolutistischen Systems und der Ausruf der Demokratie, beflügelte auch die Deutschen. Die Bestrebungen waren aber nicht wie in Frankreich ein Politikum, ein Erziehungsmittel zur Demokratie, wie es die Griechen vorgelebt hatten, sondern sie waren wie ein Spiel, wenn auch ein ernsthaftes, im Reich des Geistes und der Schönheit. Geistiger Austausch wurde zu einem Bedürfnis für viele und vergleichbar mit den franz. Salons entstanden in Deutschland Sammelstätten des gesellschaftlichen und geistigen Lebens. Damit auch die Stimmen der Abwesenden dem Kreis nicht verlorengingen und die freundschaftliche Verbindung nie Abriß, wurden häufig und sehr lange Briefe gewechselt. Wenn also im folgenden von Reisen oder neuen Wirkungsstätten gesprochen wird, so ist trotzdem ein Kontakt zu alten Freunden und Bekannten anzunehmen.
Die Deutschen standen in vorderster Reihe dieses Neugriechentums, was z.B. die Entwürfe zeigten, die Weinbrenner in den neunziger Jahren des 18. Jh. in Berlin für die Neugestaltung des Pantheon in den elementaren Formen des dorischen Stils anfertigte. Architekten wie Weinbrenner brannten darauf, eine neue architektonische Sprache zu verwirklichen, mit der sie sich völlig identifizieren konnten.
Aber es entstanden auch neue Bautypen, wie das Theater, das nun auch dem gemeinen Zuschauer viele und gute Plätze bot, oder Denkmäler für herausragende Persönlichkeiten. Eines der ersten Denkmäler sollte das von Friedrich II werden. 1796 rief Friedrich Wilhelm II einen Wettbewerb für ein Nationaldenkmal aus, an dem die bekanntesten Architekten der Zeit teilnahmen, u.a. Aloys Hirt, Carl Gotthard Langhans, Heinrich Gentz, Friedrich Weinbrenner und Friedrich Gilly. Hier tauchen nun außer Langhans eine Vielzahl neuer Namen auf, die erst einmal näher betrachtet werden müssen, um ihre Auswirkungen zu sehen, bzw. von wem sie beeinflußt waren.
Der Kunsthistoriker Aloys Hirt (1759-1834) gehörte in den 80er Jahren des 18. Jh. zur Deutschen Kolonie in Rom, in einem Zeitraum, als sich auch sein späterer Freund Goethe dort aufhielt. Sein Schaffen in der Zeit bis zum Wettbewerb ist eher unbedeutend, doch hier bündeln sich die Namen dieser herausragenden Personen das erste mal. Im weiteren Verlauf der Geschichte nahm er noch starken Einfluß auf das Architekturgeschehen.
Auch Heinrich Gentzs (1766-1811) Tätigkeiten waren zu diesem Zeitpunkt noch bescheiden. Vor dem Wettbewerb erhielt er eine Ausbildung in Berlin bei Gontard und war dank eines königlichen Stipendiums in der Zeit von 1790-95 auf Reisen, wovon er dreieinhalb Jahre in Rom verbrachte, wo er Verbindungen zu Weinbrenner knüpfte. Seine Suche nach den Ursprüngen der Architektur führten ihn nach Paestum und Sizilien, was damals eine Pflichtroute für eine Italienreise war. Dort arbeitete er mit Aloys Hirt, den er aus Rom kannte, zusammen an wissenschaftlich-archäologischen Untersuchungen der großgriechischen Tempelarchitektur.
Wie bei Hirt und Gentz kam auch die große Zeit von Friedrich Weinbrenner (1766-1826) erst später. Er wurde in den neuen Klassizismus eingeführt, als er 1791 Langhans, mit dem er auch Freundschaft schloß, und Gilly in Berlin begegnete. Ein Jahr später machte auch er einen langjährigen Auslandsaufenthalt, wovon er die meiste Zeit in Rom verbrachte. Er folgte der gleichen Route wie schon seine Vorgänger nach Paestum und Sizilien und schloß Freundschaft mit dem in Rom lebenden Aloys Hirt, dessen später erscheinendes Werk er während seines Romaufenthaltes illustrierte ("Die Baukunst nach den Grundsätzen der Alten", 1808).
Der letze der oben genannten war Friedrich Gilly (1772-1800). Er war der Sohn David Gillys und schon vor dem Wettbewerb bekannt, doch unsterblich wurde er durch seinen Wettbewerbsentwurf. 1790 ging er an der Akademie der Künste in die zweijährige Lehre bei Langhans und Erdmannsdorff, wobei besonders Erdmannsdorff ihn für den klassizistischen Stil prägte. Gillys Vorliebe für die reinen und edlen Formen der Antike wurden nicht nur durch diese Studium gefördert, sondern auch durch die Lektüren Winckelmanns und Goethes. 1794 fertigte er Zeichnungen der mittelalterlichen Marienburg an, die durch ihr Motiv dem erwachten Nationalstolz entgegen kam. Denn zu Beginn dieser Phase war man der Überzeugung, daß die Gotik in ihren Ursprüngen deutsch war, so daß der Nationalstolz sich am besten durch eben diesen Stil zum Ausdruck kam. Daß die Gotik franz. Ursprungs war, wurde erst Jahre später festgestellt. Der König Friedrich Wilhelm II sah später seine ausgestellten Arbeiten über die Marienburg und Gilly erhielt ein Stipendium für eine Studienreise nach Italien.
Doch nun zurück zum Wettbewerb des Nationaldenkmals. Es wurde zwar der Entwurf Langhans zur Realisierung ausgewählt, doch mit dem etwas später verstorbenen König wurde auch die Ausführung zu Grabe getragen. Der Entwurf von F. Gilly aber sorgte für Aufsehen. Zum einem natürlich durch die archit. Ausarbeitung, zum anderen aber auch durch eine ganz neue Wahl des Bauplatzes. Beeindruckt von der jungen und dynamischen Ausdrucksform fühlten sich Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) und Leo von Klenze (1784-1864) zum Architekturstudium berufen. Dieser Entwurf war wie ein Weckruf, ein Aufruf für eine neue Epoche, dessen Saat in Männern wie Klenze und Schinkel aufging.
An der 1793 errichteten Bauschule D. Gillys, die er ab 1799 als Bauakademie führte, wurde ab 1798 Schinkel und ab 1800 Klenze unterrichtet. Beide durften im Hause Gillys wohnen und schlossen Freundschaft, die sie auch in späteren Jahren pflegten. Während der Abwesenheit F. Gillys übernahm die Betreuung D. Gilly, an dessen Schule auch Aloys Hirt unterrichtete. In dessen Lehre fand Klenze eine klare Orientierung, zumal F. Gilly kurz nach dessen Eintritt in die Bauakademie starb. Die ihn geprägten Ideale sah Klenze darin, die griech. Form nicht lediglich zu imitieren, sondern sie in seinem eigenen Werken weiterzuentwickeln.
Im Gegensatz zu Klenze wurde Schinkel noch stärker von F. Gillys Lehre beeinflußt, der ihn später stets als einzigen Meister betrachtete. In Gillys Schrift über die Einbindung des Denkmals Friedrich II in die Umgebung lagen die Ursprünge für so vieles, was für ihn später zentrale Bedeutung erhielt. Denn Schinkel setzte sich nicht nur mit dem einzelnen Bauwerk als ästhetisches Objekt auseinander, sondern auch mit dessen Beziehung zur Umgebung und zu den Benutzern.
Einer der wenigen Architekten die mit F. Gilly zusammenarbeiteten war sein Schwager Heinrich Gentz. Gentz lehrte nach seiner Rückkehr nach Berlin ab 1796 an der Kunstakademie, wechselte aber zwei Jahre später zur Bauakademie, wo er Vorlesungen über Stadtplanung hielt und als Architekt eng mit Gilly kooperierte. Die Berliner Münze (1798-1800) war ein Ergebnis dieser Gemeinschaftsarbeit, die bis 1806 in ihrem Obergeschoß die Bauakademie beherbergte, welche zu einer der wichtigsten Architekturschulen Europas wurde, an der auch Weinbrenner Schüler war.
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