Schon wenig später meldet sich erstmals der Tod selbst; in Form leichter Müdigkeit, was Hans "mit Sympathie duldet" (S. 499). Er hat nun alle Warnungen der Zivilisation und Settembrinis, als ihr Vertreter, hinter sich gelassen, was er als Befreiung von Bevormundungen empfindet. Das passt wunderbar zu seiner charaktereigenen, leichten Überheblichkeit und Arroganz. Die gleichen Eigenschaften dürften im Spiel gewesen sein, als er Settembrini als sympathischen, aber harmlosen "Windbeutel und Drehorgelmann" (S. 496) bezeichnet und Naphta zwar unangenehm, aber überlegen findet (" ...obgleich er fast immer recht hat, wenn ihr euch zankt..." S. 496).
Mit zunehmender Dunkelheit meldet sich auch die Furcht vor den Kräften des Wetters, wovon sich Hans aber nicht stören lassen will. Erst als er ernsthaft zu frieren beginnt, beschliesst er, umzukehren. Dummerweise muss er gegen den Wind nach unten fahren, so dass sich seine Sicht auf null reduziert wird. Von diesem Augenblick an will Hans Castorp dem Berg entfliehen, es wird ihm nicht so ohne weiteres gelingen. Er nimmt im Nebel kurz einen Schober war, den er kurz zuvor bergwärts passiert hat.
Die Verwirrung greift mit zunehmender Orientierungslosigkeit auch auf Hans Castorps Geist über. Während er dem Tal entgegen irrt, vermischen sich vorhergegangene Gedankenfetzen immer surrealeren Gedankengängen ("... ich kann mich nicht hinsetzen und warten, denn dann werde ich zugedeckt von hexagonaler Regelmässigkeit, und Settembrini, wenn er mit seinem Hörnchen kommt, um nach mir zu sehen, findet mich hier mit Glasaugen hocken, eine Schneemütze schief auf dem Kopf..." S. 503) Er bemerkt selbst die Gefährlichkeit seiner zunehmenden Müdigkeit ("Das ist die modifizierte Erlebnisart von einem, der im Gebirge in einen Schneesturm gerät und nicht mehr heimfindet." S. 503). Die Müdigkeit und Verwirrung, die Hans im Schnee befällt, ist das ähnlich zum süssen, zeitentrückten Leben im Sanatorium. Als "zweideutig im höchsten Grad" bezeichnet er sie, und: "Sie sind gutgemeint und eine Wohltat, sofern man eben nicht heimkommen soll, sind aber sehr schlimm gemeint und äusserst bekämpfenswert, sofern von Heimkommen überhaupt noch die Rede ist, wie bei mir, der ich nicht daran denke, in diesem meinen stürmisch schlagenden Herzen nicht daran denke mich hier von blödsinnig regelmässiger Kristallgeometrie zudecken zu lassen" (S. 503). Das Problem der "Gefangennahme" im Sanatorium wird hier bestechend klar aufgedeckt: die Annehmlichkeiten des Lebens im Berghof erleichtern dem berechtigten Patienten den Aufenthalt, was seine Richtigkeit hat. Gleichzeitig halten sie aber Halb- und Pseudokranke wie Hans Castorp auf dem Berg fest, wenn auch der "Patient" sich selber gefangenhält, gerade so, wie auch die Müdigkeit im Schneesturm vom Verirrten selbst erzeugt wird.
Den Wunsch sich hinzulegen assoziiert er direkt mit der Stimme Naphtas, der als Gegensatz zu Settembrini lieber Tod als Leben predigt und Hans in dieser Situation wahrscheinlich wirklich zum Hinlegen geraten hätte...
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