Gerhart ist vor allem Dramatiker. Sein Bild als solcher ist von dem Jahrhundert, das ihn feierte, völlig verzeichnet und entstellt worden. Hauptmanns Dramen als Unterhaltungsstoff verstehen, als Publikumsreißer oder geeignete Filmthemen, heißt sie mißverstehen. Wohl sind in ihnen so manche Zugeständnisse an Publikum und Gemeinde, einiges erscheint uns heute "unmodern" oder vielleicht sogar geschmacklos. Einige Bemerkungen des Dramatikers zu seiner Disziplin überzeugen uns davon: der Dramatiker Hauptmann verstand unter Drama und Dichtung etwas ganz anderes als Literaturgeschichte, Kritik, Mode und Publikum aus ihnen machen. Wie Goethe wußte er von der tiefen Kluft, die ihn von allem Publikum trennte, und Goethe schätzte er sich glücklich, nicht genau wissen zu müssen, wie tief diese Kluft war.
Und wie Goethe hat er wenig dazu getan, diese Kluft von sich aus zu überbrücken, schon weil er wußte, wie unmöglich das war. Damit haben wir uns abzufinden. Das eigentliche dramatische Werk Hauptmanns liegt nicht in den Worten und Handlungen, die den Vordergrund ausmachen. Wort und Handlung sind nur "Signatur" für die Sache selbst, die hinter ihnen steht. Sie sind Zeichen, mittels der produktive Leser, jener eben, der "urteilend genießt und genießend urteilt", sich die Seele des Werkes zu erschließen vermag.
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