Der Roman ist eine Großform der Erzählkunst in Prosa, der in großen
Zusammenhängen Zeit und Gesellschaft widerspiegelt und das Schicksal einer
Einzelperson oder einer Gruppe von Individuen in ihrer Auseinandersetzung
mit der Umwelt darstellt. Der Roman unterscheidet sich vom Epos und vom
Versroman durch die Prosa und von Novelle und Kurzgeschichte durch Umfang
und Vielschichtigkeit. Anfangs war der Roman nur ein Medium zur
Unter-haltung und Belehrung, erst später entwickelte er sich zu Kunstform.
Der älteste deutsche Abenteuer- und Ritterroman wird um 1050 von einem
Unbekannten in gereimten Hexametern niedergeschrieben. Der Roman nennt sich
"Ruodlieb" und erzählt von einem jungen, ritterlichen Held, der in die
Fremde zieht, um dort sein Glück zu versuchen. "Ruodlieb" ist auch ein
erster Zeit- und Sittenroman, weil er zeitgenössisches Leben mit
überraschender Wirklichkeitstreue schildert.
Der erste große Liebesroman der deutschen Literatur stammt von GOTTFRIED VON
STRASSBURG, wird um das Jahr 1210 geschrieben und nennt sich "Tristan und
Isolde". "Tristan" ist ein biographischer Roman, weil er die
Lebensgeschichte des Helden wieder-gibt. Gottfried kommt es aber nicht auf
die innere Seelenentwicklung an, sondern er weist auf die Macht der Liebe
hin, und genau dadurch wird der Roman nicht nur zum ersten Lie-besroman,
sondern auch zum ersten Eheroman und zum ersten Dreiecksroman. Da die
Handlungen der Personen seelisch genau begründet werden und eine sorgfältige
Analyse der inneren Vorgänge geboten wird, kann man auch von einem
psychologischen Roman spre-chen.
"Meier Helmbrecht", geschrieben von WERNER DER GARTENAERE ist ein wichtiger
Zeitroman und das größte Werk des späten 13. Jahrhunderts, das ein
erschütterndes Bild jener Zeit des Übergangs von der ritterlich-höfischen
zur bäuerisch-städtisch-bürgerlichen Kultur gibt. In diesem Roman gelingt
die Darstellung des ewigen Generationsproblems durch die unterschiedlichen
Charaktere von Vater und Sohn sehr gut. Im "Meier Helm-brecht" kündigt sich
bereits die tiefgreifende Kulturwende an, wie sie sich im Spätmittelalter
vollzieht, der Aufbruch zu einer neuen Zeit, zur Renaissance und
bürgerlicher Wirklichkeits-dichtung.
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