(wahrscheinlich aus dem portugiesischen barucca abgeleitet, als eine Juweliersbezeichnung für unregelmäßig geformte Perlen) Stilrichtung der bildenden Kunst und Architektur in Europa und den spanischen bzw. portugiesischen Kolonien im Lateinamerika des 17. Jahrhunderts. Die Ausläufer sind bis gegen Mitte des 18. Jahrhunderts zu beobachten. Die letzte Periode wird aufgrund ihrer anmutigen, verspielteren Ausprägung als Rokoko davon abgegrenzt. Erst im 19. Jahrhundert begann sich der Terminus auch als Epochenbezeichnung durchzusetzen.
Ausgehend von Italien kam der Barockstil als Ausdrucksmittel eines gegenreformatorischen und absolutistischen Repräsentationsbedürfnisses von katholischer Kirche und Feudaladel besonders in den katholischen Ländern Europas zur vollen Entfaltung, während er in den nordeuropäischen Ländern in Form eines barocken Klassizismus eine eigenständige Ausprägung erfuhr. Im Zuge der Missionsbestrebungen des Jesuitenordens gelangte er bis nach Lateinamerika, wo mit Salvador de Bahia in Brasilien eine ganze Barockstadt entstand.
Barock (Literatur), Epochen- und Stilbegriff.
Barock als Epochen- und Stilbegriff setzte sich seit 1860 in der Kunstgeschichte durch (negativ akzentuiert etwa bei Jacob Burckhardt, positiv bei Cornelius Gurlitt und Heinrich Wölfflin) und wurde dann unter dem Einfluss von Heinrich Wölfflins Kunstgeschichtlichen Grundbegriffen (1915) von der deutschen Literaturwissenschaft übernommen. Barock bezeichnete hier zunächst einerseits einen durch bestimmte Merkmale charakterisierten Stil (ausgeprägte Rhetorisierung der Sprache, gesteigerte Bildlichkeit, Artistik der Form), andererseits die Epoche zwischen Reformationszeit bzw. Renaissance und Aufklärung, in der dieser Stil dominant zu sein schien. Während Barock als Stilbegriff heute kaum noch eine Rolle spielt, hat er sich in der deutschen Literaturgeschichte als Epochenbegriff für die Periode von etwa 1600 bis 1720 weitgehend behauptet. In anderen europäischen Philologien hat er, wenn überhaupt, meist nur eine begrenzte Bedeutung erhalten, etwa für die Phänomene der préciosité in Frankreich und der italienischen und spanischen Argutia-Bewegung (Marinismus, Gongorismus).
Barockgotik, Baustil, der in der Zeit des Barock gotische Elemente in der Architektur beibehielt oder wieder aufnahm.
In dem Bestreben, ihre Architektur dem jeweiligen Ortsstil anzupassen, errichteten die Jesuiten in Deutschland, den Niederlanden und in Spanien zahlreiche Kirchenbauten in gotischen Stilformen (siehe Jesuitengotik); dies geschah auch noch in der Barockzeit, vor allem im 17. Jahrhundert. Im frühen 18. Jahrhundert, mit dem Beginn des Rokoko, entstanden dann aber Kirchenbauten in einem neuen gotischen Stil, der die lebendigen und heiteren Formen des Rokoko mit denjenigen der Gotik verband. Vor allem die Bauten des Johann Santin Aichel in Böhmen und Mähren stellten einen einzigartigen Beitrag zur europäischen Architektur dar. Auch in Sachsen und Siebenbürgen, vor allem aber im Rheinland und in Westfalen entstanden wenig später derartige neugotische Kirchen.
Der antiklassiche Stil des Rokoko suchte sich ein Vorbild im antiklassischen Stil der Gotik. Andererseits wollte man aber gerade im Kirchenbau möglichst "klassisch\" vorgehen, worunter man allerdings die Gotik verstand. Schließlich sind es auch denkmalpflegerische Überlegungen bei Wiedererrichtung beschädigter Bauten oder bei Ergänzungen zu bestehenden Bauten, wie etwa die "Schranken\" am Langhaus des Straßburger Münsters von 1772 oder der Westturm des Mainzer Doms (1774 von Balthasar Neumann), die zur Ausführung in gotischen Formen Anlass waren.
Beispiele für die Barockgotik sind die Prämonstratenserkirche in Zeliv (ehemals Seelau, 1712-1720) von Santin Aichel, die katholische Pfarrkirche Sankt Nicolaus von Laurenz Mefferdatis in Eupen (1721-1730), die Abteikirche von Johann Georg Judas in Prüm (Kreis Bitburg-Prüm, 1721-1724), die katholische Pfarrkirche von Mefferdatis in Würselen (Kreis Aachen, 1725) und die evangelische Pfarrkirche von J. G. Nacke in Hohburg-Müglenz bei Wurzen (1766-1774).
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