Entstehung:
Ort und Zeit; Form, Gattung:
Ort der Handlung ist ein Dorf bei Berlin Ende des 18. Jahrhunderts. Neben genauer Milieuschilderung wird zu Beginn die Biographie Thiels erzählt. In weiterer Folge wird durch dramatische Aktionen zur Katastrophe geführt. Was freundlich beginnt, endet mit einer Tragödie. Anders als bisher bei Novellen, ist das Ende unversöhn¬lich. Ohne Erläuterungen wird die Entwicklung durch äußere Um¬stände und innere Zustände verdeutlicht.
So wird die Auflösung der traditionellen Novelle zugunsten steno¬graphischer Reduktion und zeichenhafter Verweisung eingeführt.
Personen:
Der Bahnwärter Thiel ist ein pedantischer Eisenbahnbediensteter. Er läßt sich von seiner zweiten Frau, an die ihn seine Triebhaftig¬keit fesselt, völlig beeinflussen.
In einem Traum erscheint ihm seine erste Frau und verstärkt so seine Sehnsucht nach etwas Reinem. Dabei wird ihm seine Schuld gegenüber Tobias bewußt. Die Katastrophe bringt zum Durchbruch, was sich an Verzweiflung aufgestaut hat. Sein Bewußtsein verwan¬delt sich und treibt ihn zum Wahnsinn.
Lene, die zweite Frau des Bahnwärters, ist eine ehemalige Kuhmagd. Sie ist primitiv und grob und zeigt Züge des Maschinenhaften. Sie tyrannisiert Thiel und noch mehr dessen Sohn Tobias. Der durch ihre Nachlässigkeit verschuldete Unfall bringt die Eheleute völlig auseinander.
Inhalt:
Im Mittelpunkt steht der Bahnwärter Thiel, der seinen Dienst in einem kleinen Bahnwärterhaus in der märkischen Heide versieht. Seine Frau ist nach zehnjähriger Ehe im Wochenbett gestorben. Nun sind Thiel und sein kleiner Sohn Tobias ganz auf sich gestellt. Thiel braucht wieder eine Frau, die für Tobias sorgt. Er heiratet ein zweites Mal, und zwar die arbeitsame Magd Lene. Diese ist eine brutale, zänkische Frau, wie sich bald herausstellt. Thiel, der gutmütig und gutherzig ist, ordnet sich seiner zweiten Frau unter. Lene bekommt auch einen Knaben. Ab diesem Zeitpunkt beginnt für Tobias ein Leidensweg. Seine Stiefmutter mißhandelt ihn des öfteren. Als Thiel eines Tages seine Familie zur Bestellung des Kartoffelackers, den er beim Wärterhaus gepachtet hat, mitnimmt und Tobias zur Obhut seiner Stiefmutter übergibt, passiert ein Unglück. Tobias wird vom Zug überfahren. Als man die Leiche des Kindes bringt, bricht Thiel zusammen. Einige Zeit später findet man Lene und ihr Kind erschlagen auf. Am nächsten Morgen entdeckt man Thiel, auf dem Gleis sitzend, wo Tobias überfahren wurde. Er ist dem Wahnsinn verfallen und wird in eine Irrenanstalt eingeliefert.
Sprache:
Der Erzähler tritt als Beobachter in den Hintergrund. Realistisch wird der geistige Verfall des Bahnwärters dargestellt. Ohne Ironie werden Bildsymbole verwendet und die unheilvolle Bahnstrecke ge¬schildert, die der Ort aller Erlebnisse ist, an denen Thiel zer¬bricht. In ungewohnter Art läßt Hauptmann die normale Außenwelt und die psychische Innenwelt ineinander übergehen.
Für den Autor war das dramatische und erzählende Darstellen stets ein sozialer Akt. Er griff mit seinen Werken weit in die Zukunft voraus.
Aussage:
Das zentrale Thema ist die Problematik des Menschen, der seinem Schicksal ausgeliefert ist. Dieser Radikalität des Weltblicks unterscheidet sich vom poetischen Realismus. Typisch für den Natu¬ralismus ist auch die Motivation der menschlichen Handlung aus Trieb, Gebundenheit und Milieu. Für Hauptmann liegt das menschli¬che Geschick in Milieu und psychologischer Bestimmtheit.
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