"Mutter Courage und ihre Kinder"
Inhaltsangabe
Die Handlung spielt im Dreißigjährigen Krieg, spielt über viele Jahre hinweg und ist in 12 prägnante Einzelszenen geteilt, die aneinandergereiht wurden. Vor jeder Szene wird ein Überblick gegeben, was in dieser Szene passiert um so die Spannung zu nehmen. Damit soll man sich schon während des Lesen über die Person "Courage" ärgern und zum Nachdenken angeregt werden.
Anna Fierling, auch Mutter Courage genannt, zieht mit ihrem Marktwagen, ihren beiden Söhnen, dem mutigen Eilif, dem ehrlichen, aber dummen Schweizerkas und ihrer stummen Tochter Kattrin durch die Lande.
In Südschweden wird Eilif von einem Feldwebel für den Krieg geworben. Die sehr pessimistisch eingestellte Mutter Courage sagt dem Feldwebel den Tod voraus, aber auch , daß ihre eigenen Kinder den Tod finden werden. Zwei Jahre später sieht sie ihren Sohn Eilif als Held in Polen wieder. Seine Heldentat, er hat einem Bauern sein Vieh gestohlen, quittiert sie mit einer Ohrfeige. Gemeinsam mit einem finnischen Regiment gerät Mutter Courage in Gefangenschaft der Katholiken. Als Schweizerkas die Regimentskasse in Sicherheit bringen will, wird er ertappt, was eine Verurteilung vor dem Feldgericht zur Folge hat. Um ihn auslösen zu können, verpfändet Mutter Courage ihren Wagen, doch sie feilscht so lange, bis Schweizerkas erschossen wird. Als ihr Wagen mutwillig zerstört wird, möchte sie sich beim Rittmeister beschweren, doch sie besinnt sich, denn es ist ihrer Meinung nach besser, im Krieg Handel zu treiben als Gerechtigkeit zu suchen. Ein protestantischer Feldprediger hilft ihr, sich dem Heer der Katholischen anzuschließen. Der Feldprediger macht ihr auch Heiratsanträge, die sie jedoch ablehnt, da der Frieden näherrückt, und dies eine schlechte Zeit zum Heiraten für Mutter Courage ist. Aufgrund eines Überfalls auf Kattrin wechselt Mutter Courage die Front, aber durch den Tod König Gustavs, ist der Frieden unaufhaltbar. Eilif wird zum Tode verurteilt, weil er eine Bauersfrau umgebracht hat. Vier Jahre vergehen. Ein paar kaiserliche Soldaten zwingen einen Bauern, ihnen einen Schleichweg in die Stadt Halle zu zeigen, da sie Halle stürmen wollen. Kattrin belauscht das Gespräch, steigt auf das Dach des Hauses und trommelt die Bewohner der Stadt wach, um sie zu warnen. Sie schafft es auch, wird jedoch von einem Soldaten vom Dach heruntergeschossen. Mutter Courage zieht mit ihrem Wagen alleine weiter. Sie hat alle drei Kinder verloren und nichts aus dem Krieg gelernt.
Charaktere der Kinder:
Eilif: Eilif ist der ältere und tapfere Sohn. Er stirbt, weil er sich selbst treu bleibt und so im Sinne seiner Mutter handelt. Im Krieg ist er der große Held, weil er brutal die Bauern erschlägt und ihnen das Vieh raubt. Er wird für seine Tat ausgezeichnet. Im Frieden tut er das gleiche, aber nun ist es ein Verbrechen, und er wird erschossen. Eilif wird hingerichtet, weil er sich nicht den gegebenen Umständen anpassen kann, und nicht gelernt hat, sich im Frieden anders zu verhalten, als im Krieg.
Schweizerkas: Schweizerkas ist so ehrlich, daß er die Regimentskasse auch dann nicht an den Feind ausliefern will, als sein Leben bedroht wird. Er hat dabei nicht den eigenen Vorteil im Sinn, sondern handelt nur ehrlich, so wie es ihm seine Mutter gelehrt hat. Auch er kann nicht abwägen, wie in einer besonderen Situation gehandelt werden muß.
Kattrin: Um Kattrin, ihre stumme Tochter, ist die Mutter Courage besonders besorgt, doch die verunstaltende Wunde erhält Kattrin, als sie für ihre Mutter Waren abholt. In der zehnten Szene versucht Kattrin mit Trommelschlägen die Bürger der Stadt Halle vor dem bevorstehenden Überraschungsangriff zu warnen. Diese völlig uneigennützige Tat kostet Kattrin das Leben. Die Bauern, denen das Haus gehört auf dessen Dach Kattrin trommelt, sind genauso wie Courage. Sie wollen sich heraushalten, auch wenn Mitmenschen dabei ums Leben kommen. Die Schrecken und Grauen des Krieges haben es nicht geschafft, die Leute aus ihrer egoistischen Haltung herauszureißen, da sie nur den eigenen Vorteil sehen. Kattrin handelt aber ohne Eigennutz, aus rein sozialen Motiven.
Interpretation:
Mutter Courage will ihre Kinder aus dem Krieg heraushalten, als sie jedoch einem Feldwebel eine Schnalle verkaufen will, wirbt ein anderer Werber ihren Sohn Eilif an. Hier zeigt sich ein Widerspruch zwischen Mutter und Händlerin. Sie stellt die Interessen der Händlerin über die der Mutter. Ihr Programm, sich aus dem Krieg rauszuhalten und vom Krieg zu verdienen, kann sie nicht verwirklichen, sie muß dem Krieg auch etwas geben. Das Verhältnis der Courage zum Krieg ist wirtschaftlich, d. h. sie sucht im Krieg ihren Vorteil. Sie muß den Krieg also bejahen. Während andere sich über den Frieden freuen, bedeutet er für sie den Ruin. So wie sie auch ihren ersten Sohn während eines Handels verloren hat, so verliert sie auch ihren 2. Sohn, Schweizerkas. Sie ist zu spät dazu bereit gewesen, ihre Existenzgrundlage ( ihr Karren) für das Leben ihres Sohnes einzutauschen. Sie stellt wieder ihr wirtschaftliches Interesse vor das Leben ihrer Kinder. Brecht will auffordern, sich entweder für oder gegen den Krieg zu bekennen. Man kann nicht nur Nutzen aus dem Krieg ziehen, denn er ist immer mit Tod, Verlust und Zerstörung verbunden.
Courage bezahlt ihre ökonomischen Interessen mit dem Verlust ihrer drei Kinder und am Ende auch mit dem persönlichen Ruin. Die Uneinsichtigkeit der "kleinen Leute" hält die Kriege der "Großen" am Leben und macht sie immer wieder möglich. Dieses Antikriegsdrama ist ein Paradebeispiel für Brechts "episches Theater".
Der kaukasische Kreidekreis
Inhalt:
\"Der Kaukasische Kreidekreis\" ist heute eines der meistgespieltesten Stücke auf deutschen Bühnen. Brecht erzählt hier alte Motive, die sich ebenso in der Bibel wie in alten chinesischen Märchen finden, auf seine Weise neu: Nach einem Staatsstreich gegen den Großfürsten wird der reiche Gouverneur Abaschwili hingerichtet. Seine Frau kann entkommen, läßt aber ihren Sohn Michel einfach zurück, da sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist.. Die Magd Grusche nimmt sich nach einigem Zögern des Kindes an und flieht mit ihm ins Gebirge, da der Thronfolger überall gesucht wird, und 1000 Piaster auf seine Ergreifung ausgesetzt sind. Grusche hat kaum Geld, um Michel zu ernähren, und deswegen erwägt sie schon, ihn einfach vor der Tür eines Bauernhofes auszusetzen, doch sie bringt es nicht über's Herz. Die Schergen des Fürsten Kazbeki, die Panzerreiter sind ihr auf den Fersen, Grusche entkommt ihnen jedoch immer mit Glück. Im Gebirge gelangt sie dann endlich zu ihrem Bruder, der inzwischen mit einer sehr frommen Frau verheiratet ist. Obwohl sie mit dem Soldaten Simon verlobt ist, heiratet sie einen angeblich sterbenskranken Bauern, um ihr Ziehkind durch ein \"Papier mit Stempel\" angesichts des wachsenden Mißtrauens ihrer Schwägerin zu legitimieren. Dieser Bauer erweist sich aber plötzlich als kerngesund nachdem die Nachricht über das Ende des Krieges eintrifft. Nach dem Bürgerkrieg kehrt die Gouverneurin zurück und will die Herausgabe ihres Kindes erstreiten. Der Fall wird von dem einfachen, aber schlauen Dorfschreiber Azdak verhandelt, der im Krieg zu Amt und Würden gelangt ist und beim Volk als Armeleuterichter gilt. In dem nun zu verhandelnden Fall ordnet er an, den Beweis der Mutterschaft zu erbringen. Der Richter läßt das Kind in einen Kreidekreis stellen. Beide Frauen sollen gleichzeitig versuchen, das Kind zu sich aus dem Kreis herauszuziehen. Schließlich erweist sich Grusche als die wahre Mutter des Kindes, da sie zuerst losläßt, damit dem Kind kein Leid geschieht. Nicht Erbrecht und Blutsbande entscheiden, sondern wahre Liebe und Aufopferung, die sich durch die soziale Mutterschaft entwickelt haben.
Charakteristik der Personen:
In der Ziehmutter des Kindes, Grusche Vachnadze, und dem Richter Azdak hat Brecht zwei seiner vielschichtigsten und beeindruckendsten Bühnencharaktere geschaffen. Somit wird der Kreidekreis gleichzeitig zu einem persönlichen Psychogramm zweier gewöhnlicher Menschen, die Ungewöhnliches leisten.
Grusche Vachnadze ist eine einfache Dienstmagd, die durch eine Verkettung von Zufällen dazu kommt, Michel in Obhut zu nehmen. Sie weiß, wie gefährlich es ist, mit dem Gouverneurserben erwischt zu werden, und sie braucht eine ganze Nacht, bevor sie der "schrecklichen Verführung der Güte" erliegt. Sie erkennt, daß das Leben des Kindes von ihr abhängt, und das sie sich dem Anspruch des Kindes auf ihre Hilfe nicht entziehen kann. Grusche verkörpert jedoch die Ausnahme, so sehr sie auch schnell weg möchte, das hilfsbedürftige Kind liegen zu lassen, bringt sie nicht fertig. Sie unterscheidet sich darin nicht nur von der Frau des Gouverneurs, die sich mehr um ihre teuren Kleider als um ihr Kind kümmert, sondern von allen umstehenden Personen, die sich vor der Verantwortung drücken, und nur ihr eigenes Interesse wahren, indem sie sich selbst in Sicherheit bringen. Grusche tut das Ungewöhnliche, sie zeigt die andere, unter den herrschenden Verhältnissen ungewöhnliche, Möglichkeit: Opferbereitschaft aus sozialen und humanitären Gründen. Deswegen bringt sie es auch nicht fertig, Michel einer fremden Bäuerin zu überlassen, obwohl viele Argumente dafür sprechen, zu sehr hat sie Michel schon ins Herz geschlossen.
Die Volksgestalt Azdak ist eine vergnügliche Bühnenfigur, sie ist jedoch nicht für unverbindliches Zuschauervergnügen gedacht. Azdak ist eigentlich Dorfschreiber, der aus einer Laune der Panzerreiter heraus, für 2 Jahre zum neuen Richter gemacht wurde. Während dieser zwei Jahre verdreht er das Recht zum Nutzen der armen Leute, und stellt damit beinahe so etwas wie Gerechtigkeit her. Doch am Ende der 2 Jahre fürchtet er schon das Schlimmste, wird jedoch vom Großfürsten nicht nur gerettet, sondern er darf sein Amt weiter ausüben. Somit hat er über den Fall von Michel zu entscheiden, und nach Anwendung der Kreidekreisprobe beweist er einmal mehr seinen Gerechtigkeitssinn und spricht Grusche das Kind zu. Azdak beweist tiefe Menschlichkeit und soziale Weisheit, obwohl seine Erscheinung auf einen lustigen, gefräßigen und einfachen Dorfschreiber schließen läßt. Das Leitwort seiner Rechtsprechung wird von den Panzerreitern so definiert: "Immer war der Richter ein Lump, jetzt soll ein Lump der Richter sein." Azdak richtet immer parteilich zugunsten der Armen, nicht ohne vorher von den Reichen Geld zu nehmen. Er achtet zwar streng auf die Würde des Gerichts, verwendet aber das Gesetzbuch, Sinnbild des Rechts der Ausbeuter, als Sitzkissen. Azdaks Richterschaft ist jedoch gebunden an eine Ausnahmesituation, so legt er seine Tätigkeit auch nieder, nachdem er ein letztes Mal für die Armen entschieden hatte.
Interpretation:
Ein umstrittener Teil des Stücks ist das Vorspiel, in dem es um den Streit zwischen zwei Ortschaften geht. Streit ist es jedoch kein wirklicher, da das Ergebnis schon vorher feststeht, es keine wirkliche Opposition gibt. Die Vernunft soll bestimmen, und der Streit wird sicher auf einvernehmliche Weise geklärt. Das Vorspiel soll die Einleitung zum eigentlichen Stück sein, jedoch ist der Streit um ein Stück Land nicht unbedingt dem um ein Kind gleichzusetzen.
Das Vorspiel wurde von den westlichen Kritikern als typisch für das kommunistische System bezeichnet und als lächerlich verworfen, so daß die ersten Aufführungen im Westen einfach gleich mit dem eigentlichen Stück beginnen.
Kritikbeispiele: "Bolschewistisches Einwickelpapier", "Idyll in Rosa...ein Kindermärchen aus dem man die Hexe herausgeschnitten hat".
Doch auch im Osten fand man nicht viel gefallen am Vorspiel, so wurde z.B. der an den Haaren herbeigezogene Zusammenhang zwischen Vorspiel und Geschichte kritisiert.
Ein Aspekt der Kritik in dem Stück ist Brechts Kritik an der Macht des Geldes, die allgegenwärtig ist. Es entsteht eine ganze soziale Werteskala, auf die Azdak Bezug nimmt wenn er sich nach dem Anwaltshonorar erkundigt: "Ich frag, weil ich ihnen anders zuhör, wenn ich weiß, sie sind gut". Zwischen der in Rede stehenden Summe und der moralischen Qualität der Person besteht ein direkt umgekehrtes Verhältnis. Die lauterste Person hat auch den geringsten Wochenlohn, Grusche bekommt 2 Piaster in der Woche, der Preis für ein wenig Milch. Die Panzerreiter sind alle für Geld zu haben, die Mutter des Bauern, den Grusche zum Schein heiraten soll, verlangt 400 Piaster dafür, und je höher man in der Hierarchie aufsteigt, desto schwindelerregender werden die Beträge. Anstatt Millionenbeträge für die Armee zu verwenden, wanderten sie einfach in die Taschen der korrupten Fürsten.
Der Protest gegen den Krieg ist ein weiteres zentrales Thema des Stücks. Schon das Vorspiel ist nach dem 2.WK angesiedelt, und alles ist zerstört. Grusches Verlobter Simon muß in den Krieg ziehen und so verliert sie ihn beinahe. Einige Lieder greifen diese Thematik auf, wie Azdaks Antikriegslied, das er noch vor seinem Großvater hält. Der Höhepunkt des Themas ist sicher die gespielte Gerichtsverhandlung, wo Azdak als Großfürst die Friedensschwüre des fetten Fürsten lächerlich macht und mit den knappen Worten schließt: "Fürsten kämpften, kämpften um Kriegslieferungskontrakte".
Das zentrale Thema des Stücks ist natürlich die Gerechtigkeit. Die Kreidekreis-Probe findet man schon in der Bibel oder in chinesischen Volksstücken, nur das dort die leibliche Mutter mit der Gewinnerin der Probe übereinstimmt. Für Brecht beruht die Mutterschaft also mehr auf Menschlichkeit und sozialen Aspekten, als auf Blutsbanden. Es steht also eine eindeutig sozial motivierte Rechtsfindung zur Diskussion.
Azdak's Urteil ist rein juristisch nicht tragbar, im Lichte menschenwürdigen Denkens und Handelns ist es jedoch das einzig mögliche: die Entscheidung für die Mütterlichkeit als humanes Prinzip.
Überhaupt ist Azdak's gesamte Rechtsprechung eindeutig mit einer Klassenjustiz gleichzusetzen, die Angehörigen der feindlichen Klassen wie der Gouverneur, seine Frau, der Großfürst, der Fürst und die Grundbesitzer haben somit im vorhinein jeglichen Anspruch auf Recht verspielt. Azdak's Mitleid mit den Armen äußert sich in Rache und Unrecht gegenüber den "Klassenfeinden". Trotz Brecht's genialer dichterischen Kunst, die Azdak im bestmöglichen Licht erscheinen läßt, vertritt Brecht hier die Vergewaltigung des allen Menschen zustehenden Rechts im Klasseninteresse. Insofern entfernt sich das Stück also von der eigentliche Aussage der Kreidekreis-Probe, die da lautet, "Gerechtigkeit sei dein höchstes Ziel".
Die heilige Johanna im Wandel der Literatur
Um in die Geschichte der heiligen Johanna einzuführen möchte ich zuerst etwas über die historische Johanna erzählen:
Historische Johanna
Unter dem französischen König Philipp II. August, dem es gelang die Macht der großen Feudalherren einzuschränken, begann der Machtkampf zwischen England und Frankreich. Zum offenen Ausbruch kam es, als die englischen Verwandten des Königsgeschlechtes von Frankreich, welche 1334 ausgestorben waren, Ausspruch auf den französischen Thron geltend machen wollten. Dies lehnte Frankreich entscheidend ab, und schon griffen die Engländer zu den Waffen und besetzten weite Teile Frankreichs. Als die Eindringlinge die Stadt Orleans belagerten, trat das Bauernmädchen JEANNE D'ARC auf. An der Spitze einer Truppe brachte sie der belagerten Stadt Entsatz den Sieg und führte den jungen König Karl in einem legendär gewordenen Siegeszug zur Krönung nach Reims. Obwohl sie bald darauf von den Engländern gefangen genommen und 1431 als Hexe verbrannt wurde, hatte das französische Heer durch ihr kühnes Vorgehen, soviel Selbstvertrauen gewonnen, daß das Heer den Krieg endgültig für Frankreich entscheiden konnte. Jeanne d'Arc wurde heilig gesprochen. Diese Person, Jeanne d'Arc bewegte viele Dichter dazu, sie in einem Stück ihrer Auffassung nach darzustellen. Zwei von ihnen sind Friedrich Schiller und Bertold Brecht auf die ich nun noch etwas näher eingehen möchte.
Schiller'sche Johanna
1801 wurde die Jungfrau von Orleans erstmals aufgeführt!
Die romantische Tragödie, "Die Jungfrau von Orleans" spielt in Frankreich im 15. Jahrhundert. Es herrscht Krieg mit England und das Land ist gespalten. Der Machtkampf der Herzöge von Orleans und Burgund erleichtert den Engländern das Vordringen in Frankreich. Der Norden von Frankreich ist bereits besetzt und gemeinsam mit den Engländern belagert der Herzog von Burgund, welcher sich den Engländern angeschlossen hat, Orleans.
Thibaut d'Arc, Vater von drei Töchtern verheiratet noch schnell, bevor der Krieg in die Gegend zieht, seine beiden Töchter Margot und Louison mit ihren Freiern. Er will auch Johanna seine jüngste Tochter mit ihrem Bewerber Raimond verheiraten, doch fühlt sich Johanna zu höherem berufen. Sie hat Stimmen vernommen, die ihr den Auftrag gaben, ihr Land von den Engländern zu befreien und ihren König in Reims zu krönen.
Als Johanna vernimmt, dass die Engländer vor Orleans stehen, hält sie nichts mehr in ihrem kleinen Dorf und sie zieht in die Schlacht. Johanna gewinnt die Schlacht und befreit Orleans von seinen Belagerern. Diese Tat dringt bis an die Ohren von Karl VII und dieser tritt Johanna in Chinon gegenüber...
Mit dem Bild der Himmelskönigin auf ihrer Fahne, zieht sie mit den Franzosen von Sieg zu Sieg. Im Lager der Engländer verbreitet sich in der Zwischenzeit die Nachricht von der unbesiegbaren Jungfrau wie ein Lauffeuer und lähmt die englischen Unternehmungen. Johannas Fähigkeiten sind aber nicht nur auf dem Schlachtfeld zu finden, denn es gelingt ihr mit höchstem diplomatischen Geschick den abtrünnigen Herzog von Burgund wieder für Frankreich zurückzugewinnen.
Durch ihre Taten werden die tapfersten Ritter, Dunois und La Hire auf sie aufmerksam und halten um ihre Hand an. Doch Johanna muß alle derartigen Anträge zurückweisen, da sie nur ihrem göttlichen Auftrag dienen darf und aller irdischer Liebe versagen muß. Talbot, der Anführer der Engländer fällt im Kampf und der Weg für Johanna scheint nun frei zu sein. Da taucht ein schwarzer Ritter auf, der Johanna davon abrät weiterzukämpfen und er warnt sie auch vor der Krönungsstadt Reims und verschwindet wieder.
Doch Johanna läßt sich nicht einschüchtern und sucht sich den nächsten Gegner, den sie in Lionel findet. Durch ein plötzlich in ihr aufkeimendes Gefühl wird ihr verwehrt, ihn zu töten und läßt ihn flüchten. Johanna fühlt sich daraufhin schuldig, denn ihre Gedanken schweifen immer wieder zu Lionel ab. In diesem Konflikt zwischen Liebe und Pflichtgefühl nimmt sie an der Krönungsfeier in Reims teil.
In der Stunde ihres größten Erfolges, der Krönung von Karl VII, verspürt sie das Gefühl, daß sie ihre göttliche Mission verraten hat. So kann sie sich nicht gegen die Anklage ihres Vaters wehren, der sie als Hexe, welche sich teuflischer Künste bedient, beschuldigt hat. Daraufhin wird Johanna von den Franzosen verbannt.
Die Nachricht von der Verbannung Johannas läßt die schwer angeschlagenen Engländer wieder Mut schöpfen und sie greifen wieder an. Johanna wird von den Engländern gefangen genommen und in Ketten gelegt. Lionel, der Johanna hinrichten soll, bietet Johanna seine Hand an um sie zu verschonen, doch jetzt kann Johanna ihren Gefühlen versagen und sieht in Lionel nur den Feind ihres Landes. Als sie den Bericht der Schlacht hört, in der die Franzosen zu unterliegen drohen, fleht sie zu Gott und wird erhört.
Brecht'sche Johanna
"Die heilige Johanna der Schlachthöfe" wurde 1929/30 in Berlin geschrieben und am 30. April 1959 am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg uraufgeführt.
Mauler, Chicagos Fleischerkönig, verkauft sein Geschäft an seinen Geschäftspartner, da seine New Yorker Börsenfreunde ihm zu diesem Schritt geraten haben. Doch knüpft er mit dem Verkauf die Bedingung, daß damit sein größter Konkurrent Lenox bankrott geht. Als Lenox bankrott geht bricht der ganze Fleischmarkt zusammen, da auch Mauler und die anderen Fleischfabrikanten ihre Fabriken aufgrund der Überproduktion schließen. Daraufhin bricht großes Elend unter den Arbeitern und Viehzüchtern aus. Die "Schwarzen Strohhüte" der Heilsarmee unter dem Kommando von Leutnant Johanna Dark können das immer größer werdende Elend der Arbeitslosen nicht mehr mit Suppe, Musik und netten Worten aufhalten.
Daher bittet Johanna Mauler um Hilfe für die Armen. Mauler möchte Johanna beweisen, daß die Arbeiter "schlecht" sind und daher ihre hoffnungslose Lage selbst verschuldet haben. Doch Johanna erkennt auf Maulers Schlachthof auch den Grund für die sogenannte "Schlechtigkeit": die Armut. Sie zieht mit ihren "Schwarzen Strohhüten" in die Viehbörse, um dort für Ordnung zu sorgen. Scheinbar gelingt ihr das, aber Mauler, der sich aus dem Fleischmarkt zurückziehen wollte, hat das Fleisch nun wieder gekauft, weil ihm seine Börsenfreunde wieder zum Fleischkauf geraten haben. Anschließend kauft Mauler noch das Vieh von den Viehzüchtern und hat somit wieder eine Monopolstellung am Fleischmarkt.
Die Fleischfabrikanten, welche Johanna versprochen hatten ihre Fabriken wieder zu öffnen, wenn Mauler das Fleisch kauft, können ihre Fabriken nicht aufsperren, da kein Vieh am Markt zur Verfügung steht. Johanna wird von den schwarzen Strohhüten entlassen, weil den schwarzen Strohhüten die finanziellen Mittel ausgehen und Johanna ein Geschäft zwischen ihnen und den Fleischfabrikanten vereitelt hat. Johanna lebt von dieser Zeit an der Seite der Arbeiter, vor den Fabriken, darauf wartend, daß die Fabriken geöffnet werden.
In der Zwischenzeit verlangt Mauler das Büchsenfleisch, das er von den Fleischfabrikanten gekauft hat, doch diese können nicht liefern, da kein Vieh vorhanden ist und so muß Mauler sein Vieh an die Fleischfabrikanten verkaufen. Johanna, wegen ihrer Vermittlungen überall bekannt und beliebt, begreift erst zu spät, dass Maulers erneute Monopolstellung die Not sehr schnell vergrößert hat. Nun bietet sie den Arbeitern ihre volle Unterstützung an. Doch als zum Generalstreik aufgerufen wird, verrät sie ihre Verbündeten, da sie falsche Informationen zugespielt bekommen hat. Der Streik wird niedergeschlagen und Mauler siegt.
Unter der Last ihrer Schuld bricht Johanna zusammen. Mauler erklärt sich dazu bereit, den "schwarzen Strohhüten" finanziell unter die Arme zu greifen, wenn sie verkünden, daß Fleischfabriken eine gute Sache sind. Als Johanna die Wahrheit über den Kampf am Fleischmarkt erfährt, will sie ihre Erkenntnisse den "schwarzen Strohhüten" kundtun. Doch um die Verbreitung zu verhindern, beschließen die Fleischhändler sie heilig zu sprechen als Märtyrerin der Mildtätigkeit. Ihre Ausrufe gehen sogleich in einem Wirrwarr an Lobreden, Gesang und Musik unter.
Interpretation zu \"Die heilige Johanna der Schlachthöfe\"
Dieses erste der drei Johanna-Stücke Brechts zeigt den notwendigen Widerstand gegen Ausbeutung und Unterdrückung, aber noch deutlicher ist es eine umfassende Darstellung der Praxis des Klassenkampfes, weil die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, den Hintergrund dieses Stückes abgeben. In diesem politisch kompromißlosen Stück steht nicht die Religion und auch nicht die Existenz Gottes zur Diskussion, sondern das Verhalten des religiösen Menschen. Es zeigt Brechts Konzeption vom Theater als Vermittler politischer Einsichten und als antreibende Kraft zur Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse. \"Die heilige Johanna der Schlachthöfe\" hat das Ziel, \"eine tiefgreifende und zum Handeln ausreichende Erkenntnis der großen gesellschaftlichen Prozesse unserer Zeit zu vermitteln\". Damit wollte Brecht den Zuschauer dazu bringen die neuen revolutionären Erkenntnisse anzuwenden, jedoch nicht durch Identifikation mit dem Stück. Der Zuschauer sollte die Erkenntnis aus der paradigmatischen Handlung selbst herausfinden. Diese Absicht konnte Brecht jedoch nicht verwirklichen, da bereits 1931 kein Theater der Weimarer Republik bereit war, dieses an Zündstoff reiche Stück, das Herbert Jhering noch Ende 1932 mutig als das bedeutsamste Drama des Jahrzehnts bezeichnete, aufzuführen.
Vergleich
Diese beiden Bücher unterscheiden sich in vielen Punkten voneinander, zumal die Schiller'sche Johanna ihren Auftrag nicht erfüllt und schuldig wird. Die Schuld ist notwendig und das Unglück unvermeidbar.
Bei Brecht ist die Schuld zwar notwendig und das Unglück vermeidbar, denn das Unglück der Welt ist vom Menschen verursacht. Die Welt kann davon befreit werden. Johanna hätte sich nur anders verhalten brauchen; es fehlt ihr jedoch an revolutionärer Reife und Einsicht. Sie wird auch schuldig, weil sie auf Tradition vertraut. Außerdem bezieht sie sich auf das Sittengesetz.
Schiller läßt seine Johanna an dem Engländer Lionel schuldig werden, denn sie darf den Bedingungen ihres Auftrages nach keinen Mann lieben und muß alle Engländer töten. Sie folgt jedoch ihrer persönlichen Beugung und verletzt das Gebot der Pflicht.
Ihr Auftrag richtet sich gegen die Natur, die sie als menschliches Wesen nicht zu erfüllen vermag - ihr Unglück ist in ihrem Charakter begründet. Das Menschenbild der bürgerlichen Tragödie ist antirevolutionär und dient der Erhaltung und Sanktionierung der bestehenden Weltordnung: der Mensch bringt sich ihr zum Opfer und weiht sich durch ein Martyrium. Johannas Auftraggeber ist Gott.
Bei der Johanna von Brecht sind die Auftraggeber die Arbeiterführer, die die marxistisch-revolutionären Prinzipien verkörpern. Unter der Last ihrer Schuld bricht Johanna zusammen. Dies ist jedoch nicht tragisch, weil ihr Versagen unausweichlich war. Die Schuld ist unvermeidbar und selbst verursacht worden. Am Ende begreift sie, was sie getan hat. Sie hat das Gute nicht vollbracht - sie war asozial.
Schiller und Brecht haben verschiedene Theorien des Dramas:
Das "dramatische" Theater ist "Illusionstheater". Die Figur ist identisch mit dem Spieler. Die Gesellschaft ist von Tabus eingeschlossen, man denkt über das Bühnengeschehen nicht nach.
Brechts neues Theater ist das epische Theater. Es regt den Zuschauer zum Gegenspieler des Darstellers an. Das Publikum soll zur inneren Teilnahme bewegt werden. Das künstlerische Mittel ist der Verfremdungseffekt. Das epische Theater ist materialistisch eingestellt - es kennt kein Ziel, sondern nur ein Ende.
Dramatische Form Epische Form
handelnd erzählend
verwickelt Zuschauer in ein macht Zuschauer zum Betrachter
Bühnengeschehen
ermöglicht Gefühle erzwingt von ihm Entscheidungen
Erlebnis Weltbild
der Zuschauer wird in etwas hinein- er wird ihm gegenübergestellt
versetzt
Episches Theater:
Brecht ist Lyriker, Erzähler, und in erster Linie Dramatiker. Er ist der Schöpfer eines anti-aristotelischen Dramas, des "epischen Theaters". Seine Ansichten hierzu hat er in 15 Heften "Versuche" (1929 - 1957) niedergelegt. Das epische Theater reiht die Szenen ohne dramatischen Aufbau erzählend nebeneinander. Durch die erzählende Form, durch eingestreute Provokationen, Zwischengesänge (Songs) und Selbsterklärungen der Personen versucht Brecht den Zuschauer aus der passiven Haltung zu lösen und ihn zu einer kritischen Stellungnahme zu dem Dargestellten zu bringen. Das Geschehen läuft auch nicht mehr dramatisch auf Höhepunkt, Katastrophe und Lösungen zu.
Brecht will mit dem epischen Theater den Zuschauer in einer kritischen Distanz zu dem auf der Bühne Dargestellten halten. Er will dem Zuschauer keine allgemeingültigen Lösungen vorexerzieren, sondern zum Nachdenken anregen.
Schillers und Brechts Johanna hat die Herrschaft der Herrschenden gerettet. Diese feiern ihre Retterin und verleihen ihr Glorie. Bei Schiller verfolgt die Idealisierung sittlich-moralische Zwecke, im Gegensatz zu Brecht.
Quellen:
Primärliteratur
"Bertold Brecht - Vom Bürgerschreck zum Klassiker" - H. Karasek, "Gesammelte Werke"-Suhrkamp Verlag, "Dichterworte und Parteiparole - Propagandistische Gedichte u. Lieder B. Brechts" - Ulla C. Lerg-Kill, "Brecht - Das Paradox des politischen Dichters" - Martin Esslin, "Der Marxismus" - Hernri Levebvre
Sekundärliteratur
"Gedichte und Lieder" - Suhrkamp Verlag, "Schriften zur Politik und Gesellschaft" - Suhrkamp Verlag, div. Internetseiten, Encarter ´98, div. Interpretationen für Brechtstücke.
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