Das vorliegende vierstrophige Gedicht "Städter" von Alfred Wolfenstein, das zwei Quartteten und zwei Terzetten vorweist, ist ein Sonett. Auch lässt sich im gesamten Gedicht ein regelmäßiger Trochäus widerfinden. Im Gesamtbild sind ein Klammerreim und ein Schweifreim festzustellen. Das lyrische Ich bezieht sich in diesem Gedicht auf die Großstadt, wie es diese empfindet und auch die Eindrücke der Menschen, die sich erdrückt und trotz der Menschen Massen einsam fühlen.
Der Titel "Städter" verdeutlicht, dass das lyrische-Ich sich mit der Großstadt befasst. Jedoch stellt er es sehr dramatisch dar und schreibt in einem typischen expressionistischen Stil.
Im ersten Quartett des Sonetts wird beschrieben, was das lyrische-Ich sieht und der Versuch ein Gefühl von Enge zu erzeugen, in dem es im ersten Vers und Mitte des zweiten Verses den Abstand der einzelnen Fenster mit einem Sieb vergleicht. Ebenfalls lässt sich noch eine Hyperbel finden, mit der das lyrische-Ich versucht zu bestärken, wie eng es die Fenster beieinander gereiht sieht. Im zweiten und dritten Vers werden die Häuser und Fenster durch das gegenseitige "anfassen" personifiziert. Die Häuser stehen so nah aneinander, dass sie sich fast berühren können. Auch die Metapher im letzten Vers der ersten Strophe verbildlicht, dass durch den geringen Abstand zwischen den Häusern die Straßen immer enger wirken. Auch die Autos auf der Straße, lassen das Gesamtbild noch enger und gefüllter wirken, oder wie das lyrische-Ich es beschreibt "geschwollen".
Im ersten Quartett wird das Innenleben in einer Straßenbahn geschildert. Anders als im ersten Quartett, findet in dieser eine Verdinglichung der Menschen statt. Im fünften Vers wird durch die Metapher "ineinander dicht eingehakt" verbildlicht, wie sich Massen von Menschen in die Straßenbahn drängen und dass die Straßenbahn so voll ist, dass sich die Menschen durch die Enge berühren müssen. Genau wie im ersten Quartett wir hier die Enge beschrieben, die hier bloß durch Menschen entsteht. Im sechsten Vers werden zwei Menschen als Fassaden verdinglicht, die die Oberflächlichkeit und Gefühlskälte zwischen den Menschen verdeutlichen. Auf metaphorische Weise beschreibt das lyrische Ich in Vers sieben und acht, wie sich die Menschen die ganze Zeit angucken oder anstarren und keinen Blicken ausweichen können. Sie suchen orientierungslos nach Wärme und Kommunikation, jedoch finden diese nicht. Zwar begegnet sie sich beinahe hautnah, doch engere Bindungen zwischen den Individuen bilden sich nicht, die Atmosphäre bleibt geprägt von Anonymität und Einsamkeit. Der regelmäßige Trochäus bestärkt die ganze Situation, wie sich die Menschen jeden Tag nach Kommunikation sehnen und unter der Einsamkeit leiden. Wie auch in dem ersten Quartett lässt sich der Klammerreim hier widerfinden, denn vergleichbar ist dieser mit der Enge der Stadt und Menschen.
Wie üblich schildert das lyrische-Ich in den Terzetten, welche Folgen diese Enge auf die Menschen hat. In den Terzetten wechselt das lyrische-Ich die Perspektive, es wechselt vom unpersönlichen "ihre" ins persönliche "unsere". Wieder beginnt es durch den Vergleich "unsere Wände sind so dünn wie Haut", wie in der Tram zu verdeutlichen, dass die Menschen und das lyrische Ich keine Privatsphäre besitzen. Die Wände sind so dünn wie Haut, jeder kann also quasi ungewollt an des Nachbars Leben teilnehmen, und kann jedes Wort oder Gespräch mitverfolgen. Die Hyperbel "das ein jeder teilnimmt, wenn ich weine" bestärkt diese fehlende Privatsphäre, dass andere selbst an den Emotionen des anderen teilnehmen, ohne es eigentlich zu wollen. Die Klimax im elften Vers "unser Flüstern, Denken." drückt aus, dass selbst wenn man leise spricht, jeder es mitverfolgen kann. Auch drückt das lyrische-Ich Angst damit aus, denn es hat Angst, dass selbst seine Gedanken gehört werden können, denn es vergleicht das Flüstern und Denken mit Gegröle, einer sehr unmenschlichen Lautstärke, denn nur Tiere können grölen. Die letzte Strophe beschreibt, dass obwohl alle so nah beieinander wohnen, die Wände so dünn wie Haut sind, alle nur an sich denken und nicht am Nachbarn interessiert sind. Auch ist festzustellen, dass der erste Vers der letzten Strophe sehr paradox erscheint, denn es redet hier von einer "dick verschlossenen Höhle", obwohl es erst von Wänden, die so dünn wie Haut sein sollen redet. Aber es will durch dieses Paradoxon nur bestärken, dass die Menschen stumm hausen und dass keine Kommunikation entstehen kann. Es entsteht nur ein einziger Kontakt zum anderen, und das ist das was sie durch die Wände hören. In den letzten Versen lässt sich wieder ein Paradoxon finden, denn das lyrische-Ich, sagt dass Menschen keine Privatsphäre oder Intimsphäre haben und sie nah beieinander wohnen, jedoch in diesem Vers stellt es die Menschen einsam und redet von Ferne, obwohl es in den Quartetten von Nähe gesprochen hat. Durch diese Metapher schildert das lyrische-Ich, dass die Großstadtmenschen nur an sich denken, nicht jedoch an den Nachbarn. Es herrscht also eine fehlende Kommunikation und Wärme zwischen den Menschen, obwohl sie Bewohner derselben Stadt sind.
Um noch einmal auf den Titel zurückzugreifen, übereinstimmt dieser mit der Behauptung es handelt sich um eine Großstadt und deren zerstörerische Wirkung auf die menschliche Existenz.
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