- in einer geschichtlichen Abfolge gesehen
Besonders hohe Erregerkonzentrationen wurden zunächst im Nervengewebe (Gehirn und Rückenmark) der infizierten Tiere entdeckt. Sie lagern sich jedoch auch stark in den Lymphorganen wie der Milz an (s. obige Grafik). Inzwischen wurden sie jedoch auch im Muskel und im Blut der kranken Tiere nachgewiesen, allerdings nicht in so hoher Konzentration wie in den anderen befallenen Körperteilen. Bisher galten diese Körperanteile als "nicht infektiös" , wie auch Haut, Haar und Milch. Als "gering infektiös"7 werden Leber, Lunge, Knochenmark und periphere Nerven eingestuft.
Als "Risikomaterial" gilt auch das sogenannte Separatorenfleisch (Fleisch, dass an Rückenmark und Knochen haftet). Die Verarbeitung dieses Fleisches ist seit dem 01.10.00 laut EU-Beschluss verboten.7
Der erste BSE-Fall trat im November 1986 in Großbritannien auf. Schon damals galt die Annahme, dass Tiermehl der Hauptfaktor für die Übertragung der Rinderseuche ist. Seit 1972 wurde in Großbritannien die Wärmebehandlung der Schlachtabfälle bei der Tiermehlherstellung nur noch mit 80°C statt mit 130°C durchgeführt ("aus Kostengründen" ). Dadurch könnte der besonders hitzebeständige Erreger von an der Traberkrankheit (Scrapie) infizierten Schafen auf Rinder übertragen worden sein. In Deutschland wurde Tiermehl wie folgt behandelt: 133°C mit einem Druck von 3 bar, 20 Minuten. Auf Grund dieser "ausreichenden" Maßnahmen wurde Deutschland auch immer als "BSE-frei" oder "sicher" bezeichnet. Der EU-Lenkungsausschuss hält diese Behandlung jedoch für nicht mehr ausreichend und empfiehlt deshalb folgende Behandlung: 140°C, 3,6 bar, 30 Minuten.
Dieses Drucksterilisationsverfahren soll Futtermittel aus Schlachtabfällen BSE-frei machen. Allerdings gibt es keine Beweise für diese Annahme, und deshalb ist sie "unwissenschaftlich, verharmlosend und gefährlich" . "Sogar nach einer Einäscherung bei 600°C erwiesen sich Prionen noch als infektiös."10
Letztes Jahr wurden in Deutschland 2,7 Millionen Tonnen Schlachtabfälle zu 701.000 Tonnen Tiermehl und 310.000 Tonnen Tierfett verarbeitet. Seit 1994 ist der Einsatz des Tiermehls zur Fütterung der Wiederkäuer gesetzlich untersagt, und zwar in allen EU-Ländern. Seit dem 02.12.00 ist die Tiermehlfütterung völlig verboten. Von diesem Zeitpunkt an durften und dürfen die Bauern ihren Bestand nur noch auf der "Basis von pflanzlichen Eiweißstoffen"11 füttern. Hiermit sind u.a. Sojaschrot, Mais und Weizen gemeint. Doch eines haben diese Maßnahmen gemeinsam: Abzusehen, ob die Maß-nahmen gewirkt haben, ist erst im Jahre 2002, denn die 1999 geborenen Tiere erreichen das infektiöse Alter erst im kommenden Jahr, und darum ist auch die "Aufhebung des Exportverbotes von britischem Rindfleisch"11 im Jahre 1999 verfrüht gewesen.
Als weiterer Verursacher der BSE galt lange die Kälbermast mit Milchaustauschern, da angeblich tierische Fette gefunden wurden, die Prionen enthalten (SZ, 26.01.01). Doch diese Annahme wurde ein paar Tage später als "Falschinformation" hingestellt und revidiert, dass keine tierischen Fette gefunden wurden, die Prionen enthalten (SZ, 31.01.01). Allerdings sind derartige Aussagen immer mit Sorgfalt zu vernehmen, da dieser Tage Nachrichten rund um die BSE gerne verschönt werden, um die Verbraucher zu "beruhigen".
Eine weitere interessante These hat der englische Rinderfarmer Mark Purdey aufgestellt:
Er geht davon aus, dass die Rinderseuche BSE nicht durch Tiermehl auf andere Artgenossen und Säugetiere übertragen wird, sondern durch ein Schädlingsbekäm-pfungsmittel. In den Jahren zwischen 1985 und 1992 gebrauchten die britischen Bauern ein Pestizid namens Phosmet, um ihre Rinder von der lästigen Dasselfliege zu befreien. Dieses Pestizid ist hochgiftig, aber den Bauern "war der Einsatz gesetzlich vorgeschrieben" . Die Annahme, dass Pestizide der Auslöser der BSE sind, wird dadurch gestärkt, dass diese Mittel in den beiden meistbetroffensten Ländern angewandt wurden. In Großbritannien und in der Schweiz. In der Schweiz war es allerdings nicht das Phosmet, das Diskussionen auslöste, sondern das Mittel Neguvon. Untersuchungen des Londoner Instituts für Psychiatrie zufolge, beleben und verstärken diese Mittel die Prionenbildung auf den Nervenzellen.
Mark Purdey beobachtete bei BSE-erkrankten Rindern ähnliche Symptome wie bei einer Phosmet-Vergiftung: "Muskelzuckungen, generelle Unruhe, Depressionen, Paralyse".12 Eine Erklärung dafür, dass nicht alle Rinder erkrankten wird so abgegeben: "Die Gift-Dosis und die zu überwindende Strecke durch die Fettschicht bis zum Nervensystem sind entscheidend".
Weil es keine wissenschaftlichen Beweise für diese These gibt, bekommt man von den Ministerien in Deutschland nur Kommentare wie: "Wir beobachten das"12, zu hören; und niemand fühlt sich so recht überzeugt, sondern man hält an der "Tiermehl-These" fest. Ich meine, bei diesem geringen Wissensstand, was die BSE angeht, sollte man alle Thesen verfolgen, in alle Richtungen forschen, damit es baldmöglichst eine breit-bandige Aufklärung gibt und die eindeutigen Erreger und Ursachen der BSE gefunden werden, um den bestmöglichsten Schutz gewährleisten zu können. Es sollte sich nicht nur an ein bestimmtes Faktum geklammert werden!
Die Anzahl der infizierten Rinder in Europa wird auf über 182.000 geschätzt (Stand: 26.02.01); davon stammen 99% der Fälle aus Großbritannien. Weitere betroffene Staaten sind Irland, Schweiz, Portugal, Frankreich usw..
Seit dem 24.11.00 ist auch Deutschland kein offiziell BSE-freies Land mehr. Der erste Fall wurde in Hörsten (Schleswig-Holstein) diagnostiziert. Seitdem wurden 37 weitere Fälle gezählt (Stand: 26.02.01)14. Am stärksten betroffen ist der Freistaat Bayern mit nunmehr 17 positiv getesteten Tieren. Schon im April letzten Jahres gab es Befürch-tungen, dass die Bundesrepublik Deutschland bald ihren ersten BSE-Fall erleben wird.
"Es bestand einhellig die Meinung, dass von politischer Seite Vorbereitungen für den ersten Fall von einheimischer BSE in Deutschland getroffen werden sollten."
Schon 1996 wurden Aufforderungen zum Handeln gegenüber der BSE-Krise auf die lange Bank geschoben, Zuständigkeiten weitergegeben und Warnungen missachtet! Deutsche Produkte (z.B. Wurst) wurde voreilig als "sicher" bezeichnet und mussten schließlich sogar in eiligen Rückholaktionen aus dem Ausland wiederbeschafft werden (Dez. 2000). Und schließlich mussten Mitte 1999 Fehler und Probleme bei der Überwachung des Tiermehlverfütterungsverbot eingestanden werden: "In einem ersten Untersuchungs-durchgang konnten in etwa der Hälfte der Proben mikroskopische Knochenfragmente nachgewiesen werden". Der Hinweis an die Futtermittelindustrie, nur der Verzicht auf das riskante Tiermehl könne sauberes Futter garantieren, wurde offensichtlich ignoriert. Und eine Reinigung der Produktionsanlagen, die Futterver-mischungen vermieden hätten, wurde den Unternehmen freigestellt.
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