Obwohl die Tiefsee wegen fehlendem Licht und somit auch fehlenden Primärproduzenten allgemein als karg und lebensfeindlich gilt, findet man stark konzentriert auf einer Fläche von wenigen Quadratmetern eine überraschend hohe Anzahl von Lebewesen. Sie sind immer in der Nähe von hydrothermalischen Schloten oder heißen Tiefseequellen an den Dehnungszentren des Meeresbodens, dort wo die Platten auseinanderdriften und ozeanische Rücken bilden, anzutreffen. Erstmals wurden sie 1977 in der Nähe der Galápagosinseln im Pazifik in 2600 m Tiefe entdeckt. Tierarten, die man bisher nicht kannte, wurden aufgespürt:
1) Schwefelbakterien
2) Tiere, die mit Schwefelbakterien in Endosymbiose leben
3) Tiere, die sich von anderen Schlottieren ernähren
ad 1) Schwefelbakterien:
So tief unter der Wasseroberfläche in völliger Dunkelheit können Pflanzen als Primärproduzenten, also die Lebensformen, die autotroph leben, indem sie Kohlendioxyd im Calvinzyklus zu reduzierten Kohlenstoffverbindungen (Zucker, Fette und Aminosäuren) umwandeln, nicht existieren. An ihre Stelle treten chemolithoautotrophe Bakterien, die in der Lage sind, die Energie, die für den Calvinzyklus benötigt wird, aus der Oxydation von Schwefelwasserstoff (H2S) zu beziehen (= Chemosynthese). Und gerade dieser Schwefelwasserstoff ist in der Nähe solcher Schlote sehr stark im Wasser konzentriert. Bei solchen sulfidoxidierenden Bakterien verläuft der restliche Calvinzyklus wie bei den grünen Pflanzen ab.
2) Tiere, die mir Schwefelbakterien in Endosymbiose leben:
a) Der Röhrenwurm Riftia pachyptila:
Er gehört zu den wichtigsten Tieren der Schlotfauna und wird bis zu 1 m lang.
Anatomie: Im Prinzip ist der Röhrenwurm ein geschlossener Sack ohne Mund und Verdauungssystem. Aus der festen Röhre ragt ein rotes, kiemenartiges Büschel, welches der Aufnahme von Sauerstoff, Kohlendioxyd und Schwefelwasserstoff dient. Unterhalb des Büschels befindet sich ein Muskelring (Vestimentum), mit dem der Wurm in seiner Röhre verankert ist. Der restliche Körper ist zum Großteil ein dünnwandiger Sack, der die inneren Organe beherbergt. Das größte davon ist das Trophosom (Freßkörper), der für die Ernährung des Wurmes von großer Bedeutung ist. In den Zellen des Trophosoms leben Kulturen von Schwefelbakterien, die den Wurm ernähren. Im Gegenzug erhalten die Bakterien die für sie lebenswichtigen Grundstoffe: Von den Kiemenbüscheln gelangen CO2, O2 und H2S über die Blutgefäße zu den Zellen. Die beiden Tierarten leben also in Endosymbiose , wobei jede der beiden einen Vorteil aus der Partnerschaft zieht (Mutualismus ). Man fand heraus, daß jede Röhrenwurmart nur mit einer bestimmten Schwefelbakterienart zusammenleben kann.
b) Die große weiße Muschel Calyptogena magnifica und die miesmuschelähnliche Art Bathymodiolus thermophilus:
Auch diese beiden Tiere sind auf die Chemosynthese ihrer Endosymbionten angewiesen. Hier sitzen die Bakterien allerdings nicht in einem inneren Organ, sondern direkt in den Kiemenbüscheln. Die Muskeln sind in der Lage Sulfide in ihrem Blut anzureichern, wobei der Großteil des Sulfids nicht über die Kiemenbüschel, sondern über ihren langen Fuß, der direkt in die hydrothermalen Schlote hineinragt, aufgenommen wird.
3) Tiere, die sich von anderen Schlottieren ernähren:
Viele der kleineren und unauffälligeren Tiere dieses Habitats sind keine Symbionten. Sie ernähren sich entweder, indem sie feste Nahrung, z.B. Bakterien, aus dem Wasser filtern oder indem sie Tiere fressen, die Symbionten beherbergen. Entdeckt wurden Schlotkrabben, Garnelen und besonders angepaßte Fische.
SCHUTZ VOR SCHWEFELVERGIFTUNG:
Da bei den meisten Tieren Sulfid die Atmung blockiert, indem es die Andockstelle des Sauerstoff aus dem Hämoglobin besetzt, mußten sich die Schlotbewohner besonders anpassen:
Röhrenwurm: Der Röhrenwurm verfügt über ein besonders großes Hämoglobinmolekül mit zwei Andockstellen, eine für Sauerstoff, die andere für Sulfid. Das Sulfid wird direkt in die Trophosomzellen befördert. So wird verhindert, daß es in andere Zellen diffundiert und durch eine Vergiftung der Cytosom-c-Oxidase die Zellatmung zum Erliegen bringt.
Die Muscheln Calyptogena magnifica und Bathymodiolus thermophilus: Diese beiden Muschelarten haben ein eigenes Transportmolekül entwickelt, welches nur dem Transport von Sulfiden dient, und deren schlechte Eigenschaften unterbindet.
Schlotkrabbe: sie benötigt das Sulfid nicht und entgiftet es indem sie es in ihrer leberartigen Mitteldarmdrüse zu nicht-toxischem Thiosulfat oxidiert.
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