Durch Massenaktionen und Arbeitsteilung unter den Arbeiterinnen sind Ameisen¬kolonien in der Lage, ihre Umwelt fast nach Belieben zu kontrollieren und zu verändern. Das Regeln der Umgebungstemperatur ist eines der besten Beispiele für die soziale Leistungsfähigkeit der Ameisen, zumal sie aus Gründen, die noch unbekannt sind, in der Regel auf ungewöhnlich hohe Temperaturen angewiesen sind.
Die größte Gefahr, der Ameisen in ihrer Umwelt ausgesetzt sind, ist nicht übermäßige Hitze, Kälte oder Nässe - damit werden sie fertig (viele Ameisen können stunden- oder sogar tagelang unter Wasser überleben) - sondern Trockenheit. Die meisten Arten brauchen in ihren Nestern eine höhere Luftfeuchtigkeit als gewöhnlich außerhalb des Nestes herrscht; sie gehen innerhalb weniger Stunden zugrunde, wenn sie sehr trockener Luft ausgesetzt sind. Daher wenden Ameisen verschiedenartigste - oft seltsam anmutende - Techniken an, um die Luftfeuchtigkeit in ihren Nestern anzuheben oder zu regulieren. Ameisenhügel sind beispielsweise so konstruiert, daß sie neben der Temperatur auch die Luft- und Erdfeuchtigkeit in Grenzen halten.
Ameisen besetzen die unterschiedlichsten ökologischen Nischen. In den Wäldern Südamerikas züchten stachelige, rote Blattschneiderameisen als Nahrung Pilze auf frischen Blatt- und Blütenstücken, die sie in ihre unterirdischen Kammern eingetragen haben. Völlig blinde, schlauchförmige Prionopelta winden sich durch die Ritzen vermodernder Baumstämme, um Silberfischchen zu fangen. Treiberameisen rücken in Scharen in fächerförmigen Formationen vorwärts und räumen dabei fast mit jeglicher Form tierischen Lebens auf.
Die Amazonenameise (Polyergus rufescens), eine mitteleuropäische Ameisenart, ist unfähig zur selbständigen Ernährung und Brutpflege. Die Ameise raubt Puppen aus Nestern anderer Ameisenarten und hält die daraus schlüpfenden Arbeiterinnen als "Sklaven" zur Versorgung der Kolonie.
Und so geht es weiter - in nahezu endlosen Variationen, je nach Art, jagen sie nach Beute, sammeln tote Tiere, Nektar oder Pflanzen und nutzen so alle Lebensräume zu Lande, die Insekten zugänglich sind. Auf der anderen Seit gibt es Arten, die an ein Leben tief unter der Erde angepaßt sind und selten an die Oberfläche kommen, andererseits leben hoch über ihnen großäugige Ameisen in den Baumkronen.
8.1 TROPHOBIONTEN
Überall wo man Ameisen findet sind sie mit anderen Insekten, die sich von Pflanzen¬säften ernähren, einen Handel eingegangen. Blattläuse, Wollläuse, Buckelzikaden und
Schmetterlingsraupen geben an Ameisen zuckerhaltige Sekrete ab, die ihnen als Futter dienen. Als Gegenleistung werden ihre "Handelspartner" vor Feinden geschützt.
Die Ameisen gehen noch weiter und bauen für sie eigene Kammern aus zerkautem Pflanzenmaterial oder Erde, und manchmal nehmen sie sie sogar regelrecht als Koloniemitglieder in ihr Nest auf. Diese Symbiose die man Trophobiose nennt (griech. ~ nährendes Leben), hat sich als eine der erfolgreichsten in der Geschichte der Landökosysteme erwiesen. Sie hat wesentlich zu der zahlenmäßigen Überlegenheit sowohl der Ameisen als auch ihrer Schützlinge beigetragen.
Die bekanntesten und häufigsten Trophobionten der gemäßigten Zone sind Blattläuse. Fast in jedem Garten und auf jedem brachen Feld kann man diese Symbiose beobachten: Eine Arbeiterin nähert sich einer Blattlaus und berührt sie sachte mit ihren Vorderbeinen oder Antennen. Die Blattlaus reagiert darauf mit der Abgabe einer Zuckerlösung aus ihrem After und die Ameise leckt diesen sogenannten Honigtau, der aus Fructose, Saccherose, Glucose und einem natürlichen Blutzucker, der Trehalose, besteht, auf. Sie geht von einer Blattlaus zur nächsten und bettelt sie alle an, bis der Hinterleib mit der gespeicherten Flüssigkeit prall gefüllt ist. Dann kehrt sie zum Nest zurück und gibt einen Teil der süßen Ernte an ihre Nestgenossinen ab.
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