"Lady Macbeth von Mzensk" erzählt vom grausigen Schicksal einer Kaufmannsfrau im 19. Jahrhundert, die aus Liebe zu einem Untergebenen ihren Mann und ihren Schwiegervater tötet und schließlich, zu lebenslanger Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt, auf dem Weg dorthin umkommt.
Schostakowitsch komponierte seine zweite Oper 1930-32 nach einer Novelle Nikolai Leskows - ein mitreißendes Werk, das bis heute Maßstäbe dafür setzt, Liebe, Erotik, Gewalt und Tod ebenso drastisch wie glaubwürdig im Musiktheater darzustellen. Die Titelfigur ist sicher eine der schillerndsten Frauengestalten der Operngeschichte - eine Doppelmörderin, mit der sich jeder identifiziert. Schostakowitsch unterstreicht seine Sympathie mit ihr: "Katerina Ismailowa ist eine sehr starke Persönlichkeit. Ihr Leben ist trübselig und uninteressant. Dann
kommt die Liebe in ihr Leben. Und diese Liebe ist ihr ein Verbrechen wert. Es ist das Schicksal einer hervorragenden Frau, die durch ihre Epoche in grausame Lebensbedingungen gestellt ist. Alle ihre Verbrechen möchte ich dadurch erklären, nicht aber durch einen Hang zur Blutrünstigkeit."
Die musikalische Dramaturgie zeigt diese Haltung sehr deutlich. Während Schostakowitsch Katerinas Schicksal psychologisch ungemein eindringlich komponiert, greift er für die Darstellung der Doppelmoral der Männergesellschaft vielfach zu Ironie und beißender Groteske.
Der Erfolg der "Lady Macbeth" war sensationell. Allein in Moskau war die Oper 1936 in drei Inszenierungen gleichzeitig zu sehen. Doch bald kam der Schock. In der "Prawda" erschien ein Artikel[59], der die Musik als "Kakophonie[60]" und ihren Schöpfer als Volksfeind denunzierte - der Beginn einer entwürdigenden Kampagne und eines Traumas, von dem sich Schostakowitsch nie erholen sollte. Die Oper wurde verboten. Erst viele Jahre später setzte sich die Qualität des Werkes durch und heute ist "Lady Macbeth von Mzensk" eine der wenigen jüngeren Opern, die trotz einer kompromisslosen Ästhetik dauerhaft ins Repertoire Eingang gefunden haben.
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