Die Jahre 1878 / 79 markierten einen tiefen Einschnitt in der Entwicklung des noch jungen Reichs. In der Außenpolitik trat Bismarck als Vermittler und Friedensstifter auf, im Innern versöhnte er sich mit dem katholischen Bevölkerungsteil. Dieses Bild des Friedens trog jedoch..
Die Gemeinsamkeiten zwischen Bismarck und den Liberalen waren nach dem Ausbau einer einheitlichen Reichsgesetzgebung und mit dem Ende des Kulturkampfes erschöpft.
Der 1876 gegründete Zentralverband deutscher Industrieller und die 1878 gebildete volkswirtschaftliche Vereinigung des Reichstags forderten gegenüber der Konkurrenz des Auslands Schutzzölle für die heimische Landwirtschaft und Industrie.
Sie kamen damit Bismarcks eigenen Plänen entgegen, der mit Zöllen und indirekten Steuern auf Konsumgüter (Tabak) die Finanzkraft des Reichs erhöhen und zugleich die konservativen Schichten an sich binden wollte. Im Frühsommer 1878 nahm der Reichstag mit den Stimmen des Zentrums, der konservativen Parteien und einiger Nationalliberaler die Zoll- und Steuervorlagen an. Die Linksliberalen standen von nun an in Opposition zum Regierungskurs, die nationalliberale Fraktion brach auseinander.
Das Groß- und Bildungsbürgertum übernahm seitdem immer mehr konservative Verhaltensformen.
Neben dieser Feudalisierung des Bürgertums zeigte sich eine andere Auswirkung der Krisenzeit, die das gesellschaftliche Zusammenleben in Deutschland belastete, nämlich eine Welle des Antisemitismus. Die Juden, die nach ihrer bürgerlichen Gleichstellung zu Beginn des Jahrhunderts zahlreiche Schlüsselstellungen in Handel und Industrie, im Pressewesen und im künstlerischen Leben innehatten, wurden als Sündenböcke für die Wirtschaftskrise und andere, mit dem raschen sozialen Wandel verbundene Probleme gebrandmarkt.
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