Der Standard, der immer schon sehr um das Muqua bemüht war, veröffentlichte im Jänner 1993 einen Artikel, in dem ein imaginärer Spaziergang mit Blick auf die Details der Planungen und Nutzungskonzepte durch diesen "besonderen Teil des 7. Bezirkes" vorgeschlagen wurde.
Route 1:
Museumsbesucher streben vom Haupteingang am Messeplatz in die gegenüberliegende ehemalige Reithalle. Sie betreten das Gebäude aus dem späten 19. Jahrhundert, dessen Erhaltungsgrad besonders umstritten war, auf der Grundebene (+/-0), wo sich die Garderoben und diverse Museumsshops befinden. Dieser 13,50m hohe Raum dient als zentrales Foyer der drei angrenzenden Ausstellungsbauten: Museum Moderner Kunst (MMK) zur Linken und die Kunsthalle (KH) zur Rechten.
Über Rolltreppen geht es zur Eingangsebene auf 3,50m Höhe. Ortner/Ortner sehen dafür eine Betonplatte und anschließende Brücken als Verteiler vor.
Das MMK, größter der drei Renommierbauten, bietet im Eingangsgeschoß insgesamt 1500m² für Wechselausstellungen. Die drei restlichen Ausstellungsebenen sind für Dauerausstellungen aus den Beständen des Museums Moderner Kunst im Palais Liechtenstein und des Museums des 20. Jahrhundert vorgesehen.
Die sechs Meter hohen Schauräume gliedern sich in zwei unterschiedliche Zonen: Eine ausschließlich künstlich beleuchtete und eine mit Tageslicht nach Norden gerichtete. Von außen ist das durch einen in den Kubus geschnittenen Lichtspalt zu sehen, durch den die Fassade zur Stadt hin auch optisch aufgebrochen wird. Das Dach wiederum verbindet beide Teile. (Ursprünglich hatten Ortner/Ortner einen einfachen Würfel geplant.)
Das MMK reicht mit seinen Etagen in eine Tiefe von 12,5 Metern unter die Erde. Ein Geschoß wird als Studiengalerie mit 350m² betrieben.
Klimatechnisch werden neueste Methoden zur schadenfreien Erhaltung der Exponate verwendet: Eine hinterlüftete Fassade sichert konstante Temperaturen vor und hinter den Objekten. Transpirationen und Staubpartikel der Besucher werden in Bodenhöhe abgesaugt und aufsteigende Wärme durch ein energiesparendes, mit geringen Wassermengen versehenes Kapillarsystem in der Decke gekühlt.
Über den Grundriß des Kubus hinaus erstrecken sich die Gebäudeteile des Museums Moderner Kunst zum nordwestlich gelegenen Museum Leopold hin. Unter der Fußgängerplattform in 9,50m Höhe, die das abfallende Geländeniveau zum 7.Bezirk hin ausgleicht, soll noch zusätzlich Platz für Wechselausstellungen gefunden werden.
Der Bau für die Sammlung Leopold ersetzt, wie schon erwähnt, die ursprünglich vorgesehene multifunktionale Halle. Da 1993 der Kauf der Sammlung der österreichischen Moderne durch den Staat noch nicht fix war, wurden zunächst nur Flächenbedarf (Ausstellungsfläche: 5674m², Gesamtfläche: 11.943m²) festgelegt.
Das Gebäude soll acht Geschoße über der Erde und Depot- und Technikräume unter der Erde umfassen.
Im 4. Stock ist eine Kaffeehaus-Platte geplant, die knapp über der Reithalle auskragt. Das Gebäude soll insgesamt 37,50m hoch werden.
Die Kunsthalle wurde mit dem Veranstaltungssaal in einem 26m hohen Gebäude zusammengelegt. Auch sie ist über die Winterreithalle erreichbar. Im Auftrag der Gemeinde als Betreiber soll hier - nach dem Kunstcontainer am Karlsplatz - endlich ein öffentliches Ausstellungsforum mit internationalen konservierungstechnischen Standard installiert werden.
Die Ausstellungsfläche umfaßt 3821m². Der darunterliegende Veranstaltungssaal mit maximal 800 Sitzplätzen ist in die Erde versenkt und wird seitlich belichtet.
Route 2:
Sie führt vom Huapteingang weg in jene Bereiche, die zum lebendigen Kulturmosaik Museumsquartier wesentlich beitragen.
Unmittelbar rechts vom Eingang des Fischer-von-Erlach-Traktes wird der auf 56m reduzierte Leseturm stehen. Die zehn Geschoße sind noch immer zur Freihandbibliothek (mit 250 Sitzplätzen und insgesamt 40.000 Büchern, Katalogen und Zeitschriften) bestimmt.
Die Bestände der Verschleißbibliothek sollen in regelmäßigen Abständen versteigert werden und so zu den Betriebskosten beitragen. Außerdem wird eine Daten-Vernetzung mit den Uni-Bibliotheken angestrebt.
In den 800 - 1000m² Altbestand im nördlichen Fischer-Trakt sind Büros geplant; im äußeren Flügel soll sich ein Architekturmuseum mit 1.000m² Fläche ansiedeln. In den vorhandenen inneren Flügel des Stadtratshofes kommt ein Kindermuseum nach amerikanischem Vorbild.
In die Burggasse gelangen die Museumsbesucher über eine Rampe entlang der Bastei.
Route 3:
Am Leseturm vorbei geht es über Treppen auf eine weitläufige Betonplatte (Niveau +10,50), unter der zunächst das Foyer der Kombi-Halle verläuft.
Dahinter wird das zweigeschossige Glacis-Beisl mit teilweise erhaltenem Altbestand und neuem Bauteil angesiedelt. Sein Gastgarten wird weiterhin auf der Bastei sein.
Der Zwickel zwischen Leopold-Museum und Kunsthalle bietet Freiraum für einen neuen Gastronomie-Betrieb (Niveau + 3,50).
Auf der Betonplatte - unter der sich auch der Zulieferverkehr abspielt - geht es zum neuen Eingang der Breitegasse Nr. 4. Die alten Basteien mit...
...Schmalseite der Kunsthalle.
Wer hier das Quartier nicht verlassen will, muß eine Engstelle zwischen dem Museum Leopold und der Rückfront der Breite-Gasse passieren. Von hier aus kann man in den 500m² großen Skulpturenhof zwischen den Museen Moderner Kunst und Leopold blicken. Rampen und Stiegen bringen dann vorbei an einem neuen Kindergarten wieder auf die Grundebene und weiter in den kleinen Klosterhof mit dem Tabakmuseum, das erweitert werden soll.
In das heutige Residenzkino in der Mariahilferstraße will sich der ORF einmieten und eine Mediathek mit Livevorführungen seiner alten Produktionen bespielen.
In drei dieser Räume zieht das Österreichische Fotoarchiv ein. Der Fürstenhof, der ziemlich heruntergekommen ist, wird von Um- und Neubauten vorerst verschont.
Nun schien es fast, als ob man mit den Bauarbeiten bald beginnen könnte.
Dennoch gab schon im nächsten Jahr, am 24. August 1994, Dieter Bogner, der Geschäftsführer und Konzeptkoordinator der Museumsquartier-Errichtungs- und Betriebsgesellschaft (MUQUA) seinen Rücktritt bekannt.
Hauptgrund für den Abgang war wohl Rudolf Leopold, der immer mehr Platz für seine Sammlung und schließlich sogar den Direktorsposten im Museum Leopold verlangte.
Der Ankauf der Sammlung Leopold sollte den Staat 2,2 Milliarden Schilling kosten - im Vergleich: die Baukosten des gesamten Museumsquartieres wurden auf 2,3 Milliarden Schilling geschätzt.
Außerdem wurden die Pläne von Ortner/Ortner weiter verändert:
Der Leseturm verlor seine Bibliothek, da sich der Bund weigerte, den Betrieb zu finanzieren. Was blieb, waren lediglich ein Restaurant oben und ein Informationszentrum unten.
Auch der Freund von Leopold, Krone-Herausgeber und Galerieinhaber Hans Dichand war interessiert, einzelne Stücke aus seiner Sammlung im Museumsquartier zu zeigen.
Weiters gab es Verhandlungen mit Karlheinz Essl, der für seine Sammlung, die unter anderem Werke von Rainer, Attersee, Brauer und Hundertwasser beinhaltet, ein Museum haben will, für das er den ehemaligen Leseturm in eine "Essl-Ellipse" verwandeln wollte.
Dazu kam es jedoch nicht: Ende März 1995 wurde wieder einmal ein neues, unter Beiziehung des Denkmalschutz-Experten Manfred Wehdorn überarbeitetes Projekt präsentiert. Die wichtigsten Neuerungen:
n Der Turm fällt endgültig.
n Das Museum Moderner Kunst wird nun nicht links, wie im ersten Plan, sondern rechts vom Haupteingang untergebracht, wo zuerst die städtische Kunsthalle situiert gewesen wäre.
n Die Stadt Wien adaptiert die ehemalige Winterreithalle durch den Einbau ständiger Tribünen für etwa 1000 Besucher als Theaterraum für die Festwochen und ähnliche Veranstaltungen.
n Dahinter wird nun die Kunsthalle gebaut.
n Beide Hallen bekommen ein gemeinsames Foyer.
Die beiden großen Bundes-Neubauten werden nicht höher als 24m aufragen, so hoch ist der Mittelrisalit des Erlach-Baus, wo die gemeinsamen Kassen untergebracht werden.
Von den 45.000 Quadratmetern Nutzfläche werden 20.000 in alten Gemäuern untergebracht.
Essl bekam in der Altbauzone für sein "Wotruba-Museum" 4400 Quadratmeter reserviert, eine Dauersammlung Essl war jedoch noch nicht entschieden.
Im August genehmtigte der Bund endlich die Vorentwürfe ohne Einschränkung: dem MMK wurde die dritte Etage gekappt. Statt 4000 Quadratmeter für die Sammlung und 2000 für Wechselausstellungen stehen jetzt nur insgesamt 4400 zur Verfügung. Im Ausgleich dazu wurden die Depotflächen auf 2700 Quadratmetern vergrößert. Außerdem darf das Museum Moderner Kunst zweimal jährlich die Winterreithalle bespielen.
Im März 1996 hievten schließlich auf Wunsch des Denkmalbeirats mehrere Kräne Metallträger in eine Höhe von 24 Metern, um die Eckpunkte der beiden Baukörper des künftigen Museumsquartieres zu markieren. Es ging darum, ob die Museen Leopold und MMK die Fischer-von-Erlach-Fassade überragen und ob sie vom Heldenplatz aus sichtbar sein würden. Zugleich aber liegen sie unter der Silhouette der Breiten Gasse samt Flakturm. Die Kosten dieser Simulation beliefen sich auf eine viertel Million Schilling (!).
In einer Sitzung wurde mit einer Stimmenmehrheit von 3:2 für den Bau der beiden Bundesmuseen und der Kunsthalle entschieden.
Drei Monate später forderte Ministerin Gehrer, die inzwischen fünfte(!) der Museumsquartier-Minister, vor dem Rechnungshofausschuß eine rasche Realisierung des Museumsquartiers im Messepalast.Für eine Fertigstellung votierten alle Parlamentsparteien - abgesehen von den Freiheitlichen.
Die bisherigen Kosten beliefen sich damals, im Juni 1996 auf 516 Millionen Schilling.
Im Juli 1996 akzeptierte das Bundesdenkmalamt die Pläne - allerdings mit Vorbehalt. Die Auflagen waren folgende:
n eine Präzisierung der Nutzung des Fischer-von-Erlach-Traktes,
n der Eingang zur Veranstaltungshalle soll nicht seitlich, sondern in der Mitte sein,
n die Bauhöhe von 24m darf nicht überschritten werden,
n die Fassade des alten Baus muß saniert werden,
n die Fassaden der Neubauten müssen sich "harmonisch zum Altensemble fügen".
Obwohl das Museumsquartier nochmals verkleinert werden mußte - die Pläne für die Reithalle wurden nicht akzeptiert - und der Österreichische Kultursenat im Dezember 96 in einer Stellungnahme das geplante Museumsquartier ablehnte, wird es nun schließlich doch zum Bau kommen.
Im Jänner 1997 fand in der KUNSTHALLE im museumsquartier eine Ausstellung mit dem Titel "Schauplatz Museumsquartier - Zur Transformation eines Ortes" statt.
Als dann im Juli die Bauverhandlung stattfand, wuchs der Optimismus, daß im ehemaligen Messepalast doch noch gebaut wird. Es gab keine Einwände, abgesehen von der Bürgerinitiative.
Nun ging es wirklich schnell:
Anfang Oktober erlangte das Muqua die Baugenehmigung von der Gemeinde Wien, die Prüfung durch das Bundesdenkmalamt noch im selben Monat abgeschlossen.
Somit wurde das Museumsquartier - 20 Jahre nachdem es das erste Mal angedacht wurde und 13 Jahre nach dem ersten Reformpapier einer Reformkomission - zur Errichtung freigegeben. Der Falter schrieb: "Das Museumsquartier ist nicht mehr ganz, was es früher war, aber es wird gebaut."
Selbst der heutige Planungsstadtrat Bernhard Görg, der seinerzeit die durch Erhard Busek definierte Pro-Museumsquartier-Linie der ÖVP ins Gegenteil umkehrte, hat seinen Widerstand aufgegeben: "Jetzt ist halt aus einem auffällig mißglückten ein unauffällig mißglücktes geworden. Aber ich stelle mich nicht mehr gegen den Strom."
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