Am 23. Juni versucht Ludwig XVI. mit einer kraftlosen Rede nochmals die drei Stände zu spalten und bekommt von Mirabeau, der ihm den Willen des Volkes vorhält, eine Antwort, die wie eine Ohrfeige wirkte. Der König gibt nach und erlaubt die Sitzungen der Nationalversammlung, zieht aber gleichzeitig um Paris Truppen zusammen. Die Nationalversammlung verlangt den Rückzug der Truppen, der König lehnt ab. Die Partei der Königin verstärkt ihren Widerstand. Der Hof hatte gespürt, daß die Kraft der Nationalversammlung nicht in den Mandaten lag sondern in der Unterstützung durch das Volk. Und die Abgeordneten hatten sich bisher geweigert, Petitionen der Pariser entgegenzunehmen. Deshalb mußte der Schlag gegen Paris erfolgen. Und die Pariser wurden von Tag zu Tag selbstbewußter, befreiten Soldaten aus dem Gefängnis, griffen Dragoner mit Steinen an. Ludwig XVI. hat Necker durch Breteuil ersetzt und in Versailles jetzt eine Truppe von 25.000 Soldaten zur Verfügung. Aber im pariser Rathaus hat sich ein neuer Stadtrat gebildet, der eine Miliz aufstellt. Die Nationalversammlung hat mit den Ereignissen schon fast nichts mehr zu tun: Am 12. Juli kommt es zu einem Scharmützel mit deutschen Reitern in den Tuilerien. Und die Bewaffnung der Bürger geht voran, Waffenlager und Bäcker werden gleichermaßen geplündert. Am 13. läuten die Glocken. Wann wird der König den Befehl zum Angriff geben ? Am 14. morgens um neun Uhr werden am Invalidendom Kanonen und Gewehre in Besitz genommen. Die Menge, Bürger und Arbeiter gemeinsam, zieht zur Bastille. Der König war mit seinen Truppen im Westen, in Versailles, und hätte mit der Bastille im Osten als Operationsbasis, die Stadt in die Zange nehmen können. Die Bastille war von Karl dem Weisen gebaut worden, um die Stadt in Schach zu halten, und obwohl sie seit langem nur noch als Staatsgefängnis, ein Symbol des absolutistischen Regimes, diente, war die Gefahr vorhanden. Die Befestigung der Bastille war während der vorangegangenen Tage wieder instand gesetzt worden. Wenngleich die Bastille dem Ansturm nicht lange standhielt gab es doch hundert Tote.
Die Bourgeoisie ergreift Besitz von ihrer neuen Macht: Bailly wird zum Bürgermeister von Paris gewählt, Lafayette zum Kommandanten der Nationalgarde. Die Nationalversammlung schickt eine Delegation zum Pariser Rathaus und der König sieht sich gezwungen, Necker wieder einzusetzen. Wer hat den König besiegt ? Das Volk. Wer nutzt den Sieg ? Die Bourgeoisie.
Auf dem Lande werden die Schlagbäume, die alten Zollschranken, zerbrochen und etliche Schlösser gehen in Flammen auf. Die Unruhe ist allgemein, Banden ziehen umher und die unglaublichsten Gerüchte gehen um. Man hat das später die \"Große Angst\", la Grande Peur, genannt. Vermutlich lag das daran, daß sich die Freude über die neugewonnene Freiheit mit der Furcht vor der Rache der alten Herren mischte. Die Bauern hatten ihr Land in Besitz genommen und verbrannten jahrhundertealte Besitzurkunden, in denen die Adligen aufgezeichnet hatten, was und welche Vorrechte sie den Bauern - wie auch immer - abgepresst hatten. Und wehe dem, der auch nur den geringsten Widerstand wagte, das Massaker folgte meist unausweichlich. So kam es zu einer anderen großen Angst: der Angst der Adligen. Ab Ende Juli verließen sie in einer ersten großen Welle das Land. Aber bald wächst in diesen entthronten Häuptern die Lust auf Rache und sie werden sich mit allen Feinden Frankreichs verbünden.
|