Christian Rohlfing:
In diesem Abschnitt will ich auf meine persönlichen Gedanken zu Alice Walkers Roman "The Color Purple" und dabei schwerpunktmäßig auf die angesprochenen Themen wie dem Männerbild, den Rollenverhältnissen zwischen Mann und Frau und den Reaktionen zu dem Buch eingehen. Des weiteren bietet mir diese persönliche Stellungnahme auch die Möglichkeit bisher noch nicht erwähnte, mir jedoch wichtig erscheinende Aspekte zu behandeln.
Zunächst möchte ich beschreiben, wie sich meine Einstellung zu Alice Walkers Roman im Verlauf der intensiveren Beschäftigung , die eine solche Ausarbeitung wie diese mit sich bringt, verändert hat. Dabei ist mir bewußt geworden, wie oberflächlich, sei es aus Zeitmangel oder aus Desinteresse, man/ich ein Buch lesen kann, um dann im Glauben zu sein, man/ich habe alles verstanden. Das ich nach dem erstmaligen Lesen noch nicht viel verstanden hatte, möchte ich an einigen Beispielen zeigen:
Nach dem ersten Lesen des Buches erschien mir der Charakter des Mr. ____s sehr eindimensional. Ich empfand die Gewaltdarstellung zu sehr in den Mittelpunkt gestellt. Daher konnte ich Kritiker, die dies bemängelten, sehr gut verstehen.
Auch Harpo vermittelte meiner Meinung nach kein besseres Männerbild. Er zeigte Schwächen gegenüber seinem Vater, da er sich nicht durchzusetzen wußte, und gegenüber Sofia, die er zu schlagen versuchte. In der filmischen Umsetzung durch Steven Spielberg, teilte/teile ich Alice Walkers Meinung bezüglich Harpo: "[...] maybe Steven [Spielberg] assumed Harpo was named with Harpo Marx in mind." (Walker 1996: 35).
Charaktere wie Samuel oder Buster habe ich nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt, da sie mir als Randfiguren nicht so wichtig erschienen.
Nach wiederholter Beschäftigung mit dem Buch und dem Film hat sich mein Standpunkt zu Alice Walkers Roman geändert. Der Hauptgrund liegt darin, daß ich erkannt habe, wie vielschichtig die einzelnen Charaktere und "The Color Purple" an sich sind. Ich denke, daß es an dieser Stelle nicht noch einmal nötig ist, genauer auf diese Personen einzugehen. (siehe IV.) In Bezug auf die vielen kritischen Reaktionen innerhalb der Black Community stelle ich mir im Nachhinein folgende Fragen:
Warum fühlen sich offenbar so viele farbige Männer durch die Art der Darstellung des Männerbildes in "The Color Purple" angegriffen ?
Ist die positive Entwicklung Alberts nicht bemerkenswert genug?
Ist Harpos "Rollentausch" mit Sofia nicht bemerkenswert genug?
Ist der Umgang Samuels mit seinen Frauen Corinne und Nettie nicht bemerkenswert genug?
Sollten diese Kritiker das Buch auch so oberflächlich gelesen haben wie ich beim ersten Lesen?
Die vorangegangenen (rhetorischen) Fragen, sollen noch einmal zeigen, daß in "The Color Purple" doch mehr enthalten ist, als man/ich zunächst denken könnte. Wie wir versucht haben herauszuarbeiten, betrifft dies eben nicht nur die Charaktere, sondern auch die unterschiedlichen Beziehungsformen (siehe V.).
Weitere Fragen die ich mir nach dem Lesen und im Verlaufe der Ausarbeitung gestellt habe, beschäftigten sich mit dem Thema des Buches an sich und mit der Realitätsnähe des Romans. Zum ersten Punkt kann ich mich der Meinung Anita Jones anschließen, die in ihrem Artikel "Scars Of Indifference" darstellt, daß "The Color Purple" primär ein Buch über Frauen und nicht über Männer ist (siehe VI.). Zum zweiten Punkt glaube ich sagen zu können, daß es gar nicht so wichtig ist, daß alles realitätsnah sein muß. Das Ende des Buches ist es sicherlich nicht. Es handelt sich schließlich um Fiktion. Wichtig ist vielmehr, was die Autorin mit ihrem Buch erreichen will. Wie schon erwähnt kommt dabei auch dem Ende als eine Vision und als ein positives Zeichen eine wichtige Bedeutung zu. Daß Alice Walker mit ihrem Roman eine Menge erreicht hat, zeigen meiner Meinung nach die vielen positiven Zuschriften in "The Same River Twice: Honoring the Difficult".
Abschließend möchte ich sagen, wie beeindruckt auch ich von "The Color Purple" war und von der Tatsache, wie sehr sich mein Standpunkt geändert hat.
Niels Meyer:
"The Color Purple" ist ein Buch, hinter dem viel mehr steht, als das erste Lesen offenbart. Das ist zwar bei den meisten Büchern so, jedoch ist es mir bei diesem Buch sehr deutlich bewußt geworden. Nachdem ich es einmal gelesen hatte und wir im Seminar auch über Kritik am Buch gesprochen hatten, zählte ich mich auch zu den Kritikern Alice Walkers.
Mich störte, daß, so hatte ich jedenfalls das Gefühl, Walker in ihrer Darstellung der Männer in ihrem Buch eine so krasse Schwarz/Weiß-Malerei betreibt, Männer böse Täter, Frauen arme Opfer. Dementsprechend widerwillig bin ich an diese Hausarbeit herangegangen.
Ich habe mir also das Buch genommen und es, meinen thematischen Absprachen mit Christian folgend, noch einmal durchgeblättert. Als ich mich dabei mit einzelnen Romanfiguren, aufgrund des Titels der Arbeit allesamt männlich, näher beschäftigt habe, mir ihre persönliche Entwicklung vor Augen geführt habe, ist mir jedoch aufgefallen, daß ich eigentlich unrecht und wohl nicht gründlich genug gelesen beziehungsweise nachgedacht hatte.
Denn das genaue Gegenteil ist der Fall, Alice Walker schreibt in ihrem Roman sehr vielschichtig, ich habe nur zu vieles übersehen.
Samuel ist ein durch und durch positiver Charakter, Harpo prinzipiell ebenso, er wird durch seinen Vater in einen Männlichkeitswahn gedrängt, aus dem er jedoch den Absprung schafft, und sogar eben dieser Vater, Mr. ____/Albert, bessert sich.
Die Kritik am Männerbild in "The Color Purple" läuft also weitestgehend ins Leere, kein Mann wird als bis ins Mark böse dargestellt, schon gar nicht wird auf irgend eine Art verallgemeinert.
Wenn sich manche Männer von diesem Buch diffamiert gefühlt haben, dann haben sie, so wie ich, nicht gründlich genug gelesen. Sicherlich ist manch positive Eigenschaft der Männer nicht so offensichtlich, ein kurzes Lesen reicht da nicht aus, man muß doch eine Bereitschaft entwickeln, sich mit dem Buch auseinanderzusetzen.
Aber "The Color Purple" ist kein Buch über Männer, also dürfen diese Aspekte wohl auch etwas knapper ausfallen. Es ist jedoch auch kein radikalfeministisches Pamphlet, wenn die Romanfigur Albert seine Frau Celie schlägt oder aber deren Stiefvater sie zum Geschlechtsverkehr zwingt, dann heißt das nicht, das Alice Walker alle Männer als brutal und als Vergewaltiger anprangern will. Wer den Roman so versteht, hat nicht verstanden.
Es ist ein Buch über eine Frau und ihr Umfeld, eine Situationsbeschreibung, aber dennoch eine Fiktion. Das dabei sensible gesellschaftsspezifische Punkte berührt werden, liegt in der Natur des Buches.
Ich fürchte, daß die Männer, aus der Black Community, aber nicht nur die, die sich angegriffen gefühlt haben, allen Grund dazu hatten, sich wirklich persönlich angegriffen zu fühlen.
Wir haben uns oft darüber unterhalten, ob der Wandel von Mr. ____ zu Albert realistisch ist, oder ob er überzogen positiv ist, ebenso wie das "paradiesische" Ende des Romans, bei dem alle Freunde und beieinander sind, eine große Familie.
Ich glaube nicht, das es realistisch ist und ich glaube zu wissen, das Alice Walker das ebenso klar war. Es ist ihre Vision, ihr Utopia, in dem Frauen Frauen und Männer Männer sind, ohne stereotype Rollen erfüllen zu müssen, in dem jeder das tut, was sein Naturell ist, sei es nun kochen oder Häuser bauen, eine laut "klassischer" Definition männliche oder weibliche Tätigkeit.
Nach so viel bitteren Erfahrungen, die Celie - und damit auch der Leser - im Verlauf des Romans macht, tut etwas Licht am Ende des Tunnels sicher auch ganz gut, auch wenn es vielleicht etwas überspitzt wirkt.
Als persönliches Fazit zu "The Color Purple" muß ich sagen, das ich mich mit diesem Buch sehr geirrt habe und meinen eigenen Standpunkt überdenken mußte, was ich in diesem Fall jedoch gerne tat, nach intensiverer Auseinandersetzung mit dem Buch halte ich es für ein wirklich sehr gelungenes und empfehlenswertes Buch.
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