Georg Büchner wurde am 17. Oktober 1813 als Sohn eines Arztes in Goddelau bei Darmstadt geboren. 1813 wird als Dramatikerjahr bezeichnet. Mit ihm werden im gleichen Jahr Friedrich Hebbel, Otto Ludwig, Richard Wagner und Giuseppe Verdi geboren. Nach einer langen Schulzeit, er schließt das Gymnasium ab, beginnt er 1831 mit seinem Medizin und Naturwissenschaftsstudium in Gießen. Darüberhinaus entscheidet er sich auch für das Studium von Philosophie und Geschichte .
Er wird Herausgeber des "Hessischen Landboten" und gründet nebenbei auch eine geheime "Gesellschaft für Menschenrechte". Marburger Oppositionelle verlegen seinen Hessischen Landboten und die Exekutive wird auf Büchner aufmerksam. Sein Helfer F. L. Weidig wird verhaftet und stirbt im Gefängnis. In Darmstadt schreibt Büchner sein Revolutionsdrama "Dantons Tod".
Bald nach dessen Beendigung muß er aber wegen laufender Ermittlungen aus Darmstadt nach Straßburg fliehen. Schließlich zieht er sich aber aus der Politik zurück und setzt sein Studium fort.
Georg Büchner erlangt seinen Doktorgrad und wird nach seiner Habilitation als Privatdozent in Zürich zugelassen. In Zürich bleibt er im politischen Exil. Leider verstirbt er am 19.02.1837 dreiundzwanzigjährig an Typhus. Sein Fragment Woyzeck welches ich heute vorstelle bleibt aber für immer unvollendet.
Bevor ich aber den Inhalt und die Interpretation angehe, werde ich noch ein paar Hintergrundinformationen zu diesem Sozialdrama liefern.
Woyzeck hat eine lange Vorgeschichte und liegt einem wahren Geschehnis zugrunde. Am 21. Juni 1821 tötet der 41 jährige Friseur Johann Christian Woyzeck seine Geliebte in einem Hauseingang. Der Grund war Eifersucht. Es folgen gerichtsmedizinische Untersuchungen, da wurde festgestelllt werden ob Woyzeck zum Tatzeitpunkt voll zurechnungsfähig gewesen war. Büchner wird durch die Fachjournale, die in seines Vaters Zimmer massenhaft herumlagen auf den Fall aufmerksam und beginnt erste Studien über Woyzeck anzustellen.
Derweilen zögert sich aber die Hinrichtung des Friseurs Woyzeck sehr lange hinaus. Schließlich kommt es aber am 24. August 1824 zur Vollstreckung des Todesurteils.
In den nächsten zwei Jahren recherchiert Büchner gerichtsmedizinische Unterlagen, amtsäztliche Befunde und Berichte in der "Zeitschrift für Staatsarzeneikunde."
Viele Einzelheiten aus dem wahren Fall sind in das Stück übergegangen. Aus dem Friseur Woyzeck wird im Drama der arme geistig Hinterbliebene Soldat Friedrich Johann Woyzeck, Wehrmann, Füssilier im 2. Regiment, 2. Bataillon, 4. Kompanie, geboren zu Maria Verkündigung, dem 30. Juni, Jahr unbekannt (meines Erachtens). Woyzeck ist 30 Jahre alt und ist ein Idiot. Das Drama spielt im vorigen Jahrhundert, in einem deutschen Soldatenstädtchen.
Woyzecks Situation ist miserabel. Er wird schikaniert, nicht ernstgenommen, und was das Schlimmste ist, er hat seit ungefähr drei Monaten nichts anderes gegessen, als Erbsen. Der Regimentsdoktor sieht Woyzeck als einen Casus, als Fall, er spricht von ihm nicht mehr als Mensch. Woyzeck ist ein Experiment. Wie reagiert ein Mensch auf einseitige Ernährung? Im Falle von Woyzeck mit unregelmäßigem Puls, bleichem Gesicht, Abgehetztheit Wahnvorstellungen. Der Doktor ist begeistert von den Nebenwirkungen. Und diese einseitige Ernährung soll lediglich eine der Theorie des Doktors erhärten. Woyzeck denkt viel über die Situation der Armen in der Welt nach. Er ist von der Idee besessen, die Armut einzugrenzen.
Woyzeck hat Glück. Bald darf er mit drei Monaten Hammelfleisch beginnen.
Zu diesem Verpflegungsterror gesellen sich nun auch seelische Probleme. Woyzeck ist in Marie verliebt. Diese hat ein Kind von ihm. Und das ist auch der Grund, warum Woyzeck sich für die Experimente hergibt. Er braucht dringend das bißchen Geld, daß ihm der Doktor für die Experimente zahlt.
Eines schönen Tages zieht das Regiment vorbei.
Voran ist der Tambourmajor, der sich prompt in Marie verliebt und umgekehrt.
Der Tambourmajor verbringt eine Nacht mit Marie. Durch mehr oder weniger offensichtliche Anspielungen kommt Woyzeck dahinter, daß Marie ihn betrogen hat. Der Soldat ist verpflichtet Marie Alimente zu zahlen. Diese fühlt sich zwar schuldig, jedoch ist sie zu sehr in den Tambourmajoren verliebt.
Woyzeck ist nicht mehr Herr seiner Gefühle. Bei einer Tanzveranstaltung sieht Woyzeck Marie und den Tambourmajor. Er zieht sich in seine Kaserne zurück. Später am Abend kommt der Tambourmajor in die Kaserne und brüstet sich mit der Eroberung von Marie. Als Woyzeck zu pfeifen beginnt, beginnt eine Schlägerei, Woyzeck verliert
Woyzeck lebt jetzt in geistiger Umnachtung. Er beschließt Marie zu töten und kauft bei einem Trödler ein Messer. Dann lockt er Marie zu einem Teich unter der Vorgabe mit ihr sprechen zu wollen. Er sticht öfter auf sie ein und läßt sie liegen kehrt nachher in einem Wirtshaus ein. Dort wird man auf das Blut am Ärmel von Woyzeck aufmerksam. Woyzeck stürmt aus dem Gasthaus und begibt sich auf die Suche nach dem Messer. Er findet es am Tatort und wirft es in den Weiher. Er bildet sich ein, daß er das Messer noch sehen kann, geht ins Wasser, taucht es heraus und wirft es noch weiter in den See. Er sieht das Messer noch immer als einen "weißen Fleck" und taucht wieder um es noch weiter zu werfen. Und ertrinkt.
Hauptmann und Doktor die vorbeigehen, hören aus dem Weiher komische Geräusche und verlassen schnell diesen Ort, denn sie fürchten sich vor dem Weiher."
Das ist also das Ende des Soldaten Woyzeck.
Die Polizisten sind von diesem Bilderbuchmord begeistert. Woyzeck bleibt ein Casus.
Das Fragment Woyzeck wurde erst ein halbes Jahrhundert nach Georg Büchners Tod entdeckt. Natürlich versuchten viele zeitgenössische Schriftsteller, Woyzeck fertigzustellen. so kam 1879 eine entstellte Fassung von Woyzeck auf den Markt. Sie wurde von Karl Emil Franzos beendet. Und schließlich kam es am 8. November 1913 im Münchner Residenztheater unter der Regie von Eugen Kilian, der den Hauptverdienst an der Neuentdeckung trägt, zur Uraufführung. Es ist aber nicht bei der Bühnenfassung geblieben. Bis 1825 hat sich Alban Berg bemüht, dann wurde seine Vertonung von Woyzeck, genannt Wozzeck uraufgeführt. Teilweise bediente sich Alban Berg auch anderer Autoren, die das Stück beendet hatten, wie Arnold Zweig, Kasimir Edelschmidt und Ernst Hardt. Es folgt in späteren Jahren noch die Kinofassung.
Woyzeck - ein Sozialdrama. Im Mittelpunkt -- Der arme Woyzeck. Er ist eine einfacher Soldat und wird nur für die einfachsten Aufgaben ausgewählt. Gleich am Anfang des Dramas kommt heraus, was man von Woyzeck hält.
Der Hauptmann, ein Mensch, der sich nicht hetzen läßt , hält Woyzeck für einen armen tugend - und morallosen Kerl, worauf Woyzeck ihm antwortet: "Ja Herr Hauptmann, die Tugend, I hab´s noch nit so aus!!!
Woyzeck als einfacher Soldat braucht keine Moral, er hat nur Befehle auszuführen. Allerdings wage ich zu behaupten, daß er mehr Moral als alle anderen hat.
Es sind ja überhaupt nur skurrille Figuren in diesem Drama. Nehmen wir den Doktor heraus. Heute wäre er ein verschrobener Wissenschaftler, aber damals hat er mit Woyzeck ein Experiment gemacht. Woyzeck ist der Leidtragende des Doktors. Dem Herrn Sargnagel, wie der Doktor ironisch genannt wird, kennt man die Freude am Experimentieren an. Er ist ein Sadist. Zur Ernährungsproblematik verschafft er Woyzeck auch noch eine andere Seelenpein.
Bei einem Treffen mit Studenten zwingt er Woyzeck, seine Katze, Woyzeck liebt die Katze aus dem Fenster zu werfen. Woyzeck weigert sich, also wirft sie der Doktor raus.
Ein bißchen abgeschieden aber auch nicht unwichtig. Der Tambourmajor.
Er ist ein Schlitzohr, und im aufreißen wahrer Meister. Innerhalb einer
Szene schafft es dieser selbstsichere Mensch, Marie zu verführen. Der Tambourmajor versteht sich anzupreisen. Er fühlt sich sicher und weiß mit Menschen umzugehen. Er ist das genaue Gegenteil zu Woyzeck. Er ist nämlich unfähig mit Menschen zu reden, weil seine revolutionären und meistens auch ein bißchen aus der Luft gegriffenen Aussagen, die sehr schnell wechseln, jeden nun ja, verrückt machen. Ein Gespräch mit Woyzeck, so sagt auch der Hauptmann, ist anstrengender als jede Mahlzeit.
Wenden wir uns jetzt Marie zu. Marie ist eigentlich ein liebes Mädchen. Sie hat, und das überrascht, von Woyzeck ein Kind. Sie würde aber lieber sterben als sich von Woyzeck noch einmal anfassen zu lassen. Besteht am Anfang noch eine gute Verbindung, so wird diese zunehmend schlechter, bis Woyzeck am Schluß Marie umlegt.
Was soll Woyzeck aussagen. Nach der Meinung von Otto C. A. zur Nedden ist Woyzeck das wohl emotionalste und aufrüttelndste Werk Büchners. Ein Aufschrei der gequälten Seele Woyzecks. Woyzeck wird gequält. Er hat keinen Freund, auf denn er sich stützen könnte. Andres sein Mitbewohner versteht ihn ncht und möchte wenig bis gar nichts mit Woyzeck zu tun haben. Das muß ja zwangsläufig zum Selbstmord führen.
Wie dem auch sei, daß Woyzeck ein Fragment ist, ist eigentlich gar nicht einmal so schlecht. Langeweile kommt beim Lesen nicht auf, denn der skizzenhafte Aufbau hat etwas drehbuchartiges an sich. Die Reihenfolge der Szenen ist so angelegt, daß ein möglichst eindringlicher Handlungsablauf entsteht. Das ist gelungen, das Lesen von Woyzeck ist ein Erlebnis.
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