Zu Lebzeiten des Sokrates indessen hatte sich in Athen nach und nach eine Demokratie mit Volksversammlungen und Gerichten entwickelt . Deshalb brachte es mannigfaltige Vorteile mit sich, gebildet zu sein und auch über ein gewisses rhetorisches Potential zu verfügen. Aus diesem Umstand heraus bildete sich die Gruppe der Sophisten, gelehrter Menschen, die viel herumreisten, um sich weiterzubilden. Die Philosophie betrachteten sie skeptisch: sie vertraten die Auffassung, man könne niemals sichere Antworten auf die in der Philosophie gestellten Fragen erlangen, daher brauche man sich gar nicht weiter damit zu befassen. Darüber hinaus stellten sie fest, der Mensch sei das Maß aller Dinge , womit sie meinten, es gebe keine genormten, letztgültigen Moralvorschriften und kein jedem Menschen angeborenes Rechtsempfinden, sondern alle Vorschriften und Verhaltensregeln seien ausschließlich das Produkt der jeweiligen Gesellschaft.
Mit dieser Behauptung stellten sie die exakte Gegenthese zu der Sokrates\' auf: Dieser nämlich vertrat die Überzeugung, jeder Mensch verfüge über das gleiche, angeborene Rechtsempfinden und über die Fähigkeit, Gut von Böse zu unterscheiden. Das zeigt sich auch in der Art, auf die er mit den Athenern umging: er belehrte sie nicht, sondern erwartete, daß sie von sich aus auf die "richtige" Lösung des Problems kommen.
Eine weitere Lehre des Sokrates wird durch den Satz "Die klügste ist die, die weiß, was sie nicht weiß" zusammengefaßt. Auch hier bildete Sokrates den exakten Gegensatz zu seinen Zeitgenossen, den Sophisten: sie waren wandernde Gebildete und Lehrer, die sich durch ihr Wissen für überlegen hielten und für ihre Lehrtätigkeit bezahlen ließen. Für Sokrates hingegen war nicht das Wissen an sich, sondern das Streben nach Wissen bezeichnend. Er war sich darüber im Klaren, daß es vieles gab, was er nicht wußte und wahrscheinlich auch niemals lernen konnte.
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