Obwohl vorher schon angesprochen, sollte man sich klarwerden, was die literarische Utopie ist und sich um eine Definition bemühen:
Grundsätzlich ist ein utopisches Werk eine "zusammenhängende und in sich geschlossene, schriftlich fixierte Darstellung einer Wunschwelt (oder Alptraumwelt)". Utopien sind also immer fiktionale Texte. Mit einigen anderen literarischen Gattungen berühren sie sich zum Teil sehr eng: Ihr hoher Fiktionalitätsgrad rückt sie in die Nähe des Märchens, von Thema und Stoff her sind sie verwandt mit dem Staats- und Gesellschaftsroman und in der situativen und erzähltechnischen Einbettung verwenden sie oft Formen des Reise- und Abenteuerromans.
Dennoch: obwohl Utopien alle klassischen Literaturvorstellungen erfüllen, also sozusagen "Ur-Literatur" im Sinne des genuin Literarischen sind, gelten Utopien im Urteil von anspruchsvollen Literaturliebhabern nicht allzu viel. Mit Ausnahme von Thomas Morus' "Utopia" (siehe unten) und den großen Dystopien unseres Jahrhunderts hat kaum eines der vielen utopischen oder phantastischen literarischen Werke weltliterarischen Rang gewonnen, Viele sagen sogar, Utopien seien eher schlechte Literatur.
Zu entscheiden, wie solche Ansichten zustandekommen und ob sie berechtigt sind, bleibt dem jeweiligen Leser überlassen und hängt sicherlich von dem jeweiligen Werk ab, meiner Meinung nach spielt aber das im Kapitel 1.1 gesagte, eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang.
Zur klassischen Utopie sagt Christian Enzensberger trotzdem: "[Die literarische Utopie] kann ja für den Helden nur immer eine ununterbrochene Weihnachtssituation herstellen und dementsprechend eintönig fällt auch die sinnliche und emotionale Vergegenwärtigung der Welt aus, in die er versetzt ist..."
Betrachten wir doch einige wichtige Vertreter verschiedener Richtungen dieser umstrittenen Literaturgattung im Nachfolgenden genauer:
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