In der Kurzgeschichte "Das Fenster-Theater" von Ilse Aichinger wird geschildert, wie ein kleines Missverständnis zu einem spektakulären Polizeieinsatz führt.
Eine Frau, welche gleich zu Anfang des Textes - unter anderem auch - aufgrund ihres Blickes als unersättlich neugierig charakterisiert wird, spielt die Hauptrolle in der Handlung. Sie blickt, wie es bei Leuten ihrer Art üblich ist, mal wieder aus dem Fenster und erhofft sich, - so teilt der Erzähler aus der 3. Person mit - dass ihr jemand den Gefallen tun würde sich unten auf der Straße niederfahren zu lassen. Kurz: Sie erhofft sich eine Sensation, eine Abwechslung. (Der Text charakterisiert die Hauptakteurin der Handlung, welche übrigens nur als "Die Frau" bezeichnet wird, somit schon recht früh.) Nun sieht diese Frau, dass in dem Haus auf der anderen Seite der Straße ein Licht angeht und zwar genau hinter dem ihr gegenüberliegendem Fenster. Sie weiß auch schon, dass in dieser Wohnung ein alter Mann lebt, welcher im Text die Bezeichnung "der Alte" erhält. Der Mann öffnet sein Fenster und nickte zum Gruß herüber.
In diesem Moment entsteht das Kommunikationsproblem:
Die Frau geht - in Annahme, dass die Wohnung über ihr leer steht und dass sich unter ihr eine geschlossene Werkstatt befindet - fälschlicherweise davon aus, dass der Mann mit ihr kommunizieren möchte. Tatsächlich führt dieser aber eine nonverbale Kommunikation mit einem Kind in der Wohnung über ihr, welches mit seiner Familie vor kurzen dort eingezogen ist, vermutlich nimmt er die Frau gar nicht war. Die Erzählperspektive liegt - wie gesagt- in der 3. Person, jedoch wird ausschließlich aus Sicht der Frau erzählt. Eine Auflösung dieses Missverständnisses findet deshalb erst am Ende des Textes statt und so wird dem Leser bis zu diesem Zeitpunkt die (immer verwirrtere) Perspektive der Frau aufgedrängt.
Sie bewegt leicht den Kopf, nur um seine Reaktion zu testen, und fühlt sich durch sein erneutes Nicken in ihrer falschen Annahme bestätigt. Er hat jediglich Spaß daran das Kind zu unterhalten und führt eine immer scherzhaftere, Kommunikation mit ihm, welches wohl mit Begeisterung auf ihn eingeht. So beobachtet die Frau, wie der Mann Hut und Mantel anzieht, eifrig mit einem weißen Tuch winkt und sich dabei waghalsig über die Fensterbrüstung lehnt. Dann legt der Alte aber richtig los: Er lässt seinen Schal aus dem Fenster wehen, wirft seinen Hut weg, bindet sich den Schal wie einen Turban um auf den Kopf, überkreuzt seine Arme vor der Brust, verneigt sich mehrmals und zwinkert dem Jüngeren seiner Empfänger mit einem Auge zu. Die Frau, nun in der Annahme es mit einem Verrückten zu tun zu haben, ruft,
nachdem der Alte dem Kind (und zu seinem Pech auch der Frau) seine körperliche Fitness mit einem Handstand vorgeführt hat, die Polizei. Voller Erregung über die Tatsache, dass sie nach etlichen langweiligen Stunden an ihrem "Beobachtungsposten", nun endlich einmal einen Grund hat die Polizei zu rufen und somit eine Sensation zu erzeugen, drückt sie sich am Telefon nicht klar aus, was wiederum dazu führt, dass die Polizei den Gefährdungsgrad der Situation maßlos überschätzt und ein Überfallkommando schickt.
Nachdem die Ankunft des Überfallwagens für erhebliches Aufsehen in der Nachbarschaft sorgt, wird die Tür der Wohnung des Alten aufgebrochen, denn dieser ist schwerhörig und hört das klopfen nicht. Voller Neugierde dringt die Frau sofort hinter der Polizei in die Wohnung ein und sieht so -gleichzeitig mit den Polizisten- mit wem der Alte Mann, immer noch am Fenster stehend, wirklich kommuniziert.
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