Glaubt man auf den ersten Blick auch einen leichten, romantisch bis leicht kitschigen Roman in Händen zu haben, so findet man bald heraus, dass die Kritik an der Zeit kunstvoll verpackt und verschnürt sich in Goldmunds abenteuerlichen Lebensstationen abspielt.
Die Einfachheit der Handlung mit allen Höhepunkten, derer sich heutzutage auch die reißerischen Filme bedienen - Freundschaft, Abenteuerlust, Liebe, Katastrophen, Läuterung des Helden- mutet beinahe seicht an. Der wahre Wert des Romans steht jedoch zwischen den Zeilen, fast ein bisschen wie in Saint-Exyperys "Kleiner Prinz", wo die hintergründigen Anspielungen und die Vergleiche auch konzentriertes und aufmerksames Lesen verlangt.
Zu Beginn von Goldmunds Weg, der Suche nach seiner Identität sieht Hesse vielleicht auch sich selbst in dem jungen Menschen, der zur freien Kunst berufen ist und nicht in das Klischee eines bürgerlichen Berufes passt. Bis zum Schluss ist eigentlich diese Suche nach sich selbst, nach dem Menschen, der über seinen menschlichen Schwächen steht, der rote Faden durch Hesses liebstes Werk.
Goldmund der bis zu seinem Tod auch den unsichtbaren Spuren seiner Mutter folgt, die ihn und seinen Vater früh verlassen hat um ihre eigenen Wege zu gehen. Narziß macht Goldmund schon als Klosterschüler klar, wie sehr er die Mutter vermisst und er seine Handlungen vom Gedanken an sie bestimmen lässt. Die Bedeutung der Mutter erinnert an die wichtige Stellung der Mutter im Mittelalter. Für Goldmund ist der Begriff Mutter untrennbar mit Sinnlichkeit verbunden, was er seinem treuen Freund Narziß am Totenbett erklärt.
Die grausige Schilderung der Pest und der Machtlosigkeit der Menschen dagegen ist wohl der Spiegel einer Zeit, die ebenso Verderben und Tod bringend und für die Bevölkerung gleich unüberwindbar ist: die Zeit des nationalsozialistischen Regimes.
Nur durch die kunstvolle Verpackung dieser Schilderung gelingt es dem Dichter, dass der Roman zum meistgekauften Buch vor dem zweiten Weltkrieg wird.
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