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Das Volk verbleibt als die einzige gesellschaftliche Gruppierung im Drama, die von ihrer Interessenlage her die Notwendigkeit einer sozialen Revolution begreifen und diese in die Tat umsetzen könnte. Das Volk ist das präsumtive Subjekt einer Revolution, die das Postulat der Gleichheit in seinem umfassenden Sinn als praktische Aufhebung materieller und geistiger Benachteiligung in die Wirklichkeit überführt. Mit der Darstellung des Volkes versucht Büchner im Rahmen der von der Gattung gesetzten Grenzen, die empirischen Bedingungen zu ermitteln, die das Volk hindern, seine Rolle als kollektives Subjekt einer sozialen Revolution wahrzunehmen. Die Darstellung des Volkes verfährt daher keineswegs idealisierend, sondern zeigt schonungslos die verheerenden Folgen materieller Verelendung und geistiger Unterdrückung. Der Hunger treibt das Volk zu spontanem politischen Handeln (11 f. ); er motiviert die mitleidlose materielle Ausbeutung des organisierten Schreckens (eindringlich gestaltet in den Fuhrleuten des Todes, 69) und bestimmt schließlich die Haltung des Volkes als Publikum vor dem Blutgerüst der Revolution. (74 f.) Die Prostitution ist die beherrschende soziale Beziehungsform des Volkes zu den bürgerlichen Revolutionären. Von der Tochter des Souffleurs Simon über die Grisetten im Palais royal und in Clichy bis hin zu den Weibern auf dem Platz vor der Conciergerie, die auf die dantonistischen Gefangenen wie auf »alte Kunden« warten (69): Die Prostitution läßt die gesellschaftliche Beziehung des Bürgertums zum Volk sinnfällig werden. Der parasitäre Charakter der bürgerlichen Revolution tritt deutlich hervor, wenn die Revolutionsgewinnler sich am Volk, dem Motor der Revolution, als an ihrem künftigen Opfer schadlos halten. Erzwungen wird freilich nicht allein der Verkauf des Körpers; Ausbeutung und Korruption erfassen ebenso die Sphäre des Bewußtseins und damit die politische Willensbildung im Volk. Ein schlagendes Beispiel für die ideologische Abrichtung des Volkes, die mit der Manipulation von Sprechen und Denken entschieden dessen Realitätswahrnehmung tangiert, ist der Souffleur Simon (9 ff.). Literarische Zitate, Römerposen und leere heroische Gesten verhindern bei Simon eine realistische Einsicht in die eigene Misere. Die Identifikation mit den tragischen Heldenrollen in Literatur und Geschichte, die der Souffleur auf die aktuelle Folie des robespierristischen Tugendkultes bezieht, führt zu einer Verdrängung der sozialen Realität bzw. zu deren Neuinterpretation im Kontext eines moralischen Heroismus. Aber selbst dort, wo eine realistische Haltung im Volk vorherrscht, bleibt die von den bürgerlichen Revolutionären betriebene ideologische Transformation sozialer Widersprüche nicht ohne Wirkung. In seiner Frau und in den drei Bürgern findet Simon zunächst ein kritisches Korrektiv. Diese sehen in der Prostitution kein Sittlichkeitsdelikt, sondern die unvermeidliche Folge einer vom Elend erzwungenen Arbeit »mit allen Gliedern« (10). Der erste Bürger stellt Simons moralische Argumentation vom Kopf auf die Füße. Der revolutionäre Zorn des Volkes richtet sich nicht gegen die Hure, sondern gegen den, der sie zur Hure macht. |