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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Autobiographische aspekte


1. Drama
2. Liebe

3.1. Zeit der Handlungen /> Autobiographische Züge sind insofern erkennbar, als die meisten seiner Werke (ausgenommen seine Biographien) in der Gegenwart oder nur kurze Zeit zurückliegend spielen.
Die "Schachnovelle" handelt während des 2. Weltkrieges, also genau in jener Zeit, als Zweig sie schrieb (Vollendung 1942). Er selbst kaufte sich im Exil ein Schachbrett und spielte hin und wieder eine Partie, woraus, zusammen mit den politischen Umständen, wohl die Idee zu dieser Novelle entstand.
Sowohl die Handlung von "Brennendes Geheimnis" (1911), als auch die von "Angst" (1920) und "Der Amokläufer" (1922) sind in etwa in die Zeit einzuordnen, als Zweig sie verfaßte. In letzterem ist sogar ein exakter Zeitpunkt angegeben: März 1912. In diesem Monat befand sich der Autor aber auf seiner Amerikareise und konnte sich nicht auf einem Dampfschiff , daß von Indien nach Neapel fuhr, aufhalten.



3.2. Schauplätze der Handlungen

Zweig schrieb nie irgendwelche Reiseberichte, obwohl er sehr viel in der Welt herumkam. Allerdings wurden seine Reiseziele sehr oft zu Schauplätzen von Handlungen in seinen Novellen. Als Ort des Geschehens diente auch seine geliebte Heimatstadt Wien. Dort spielt die Novelle "Angst". Ebenfalls in diesem Gebiet, wenn auch nicht direkt in der Stadt sondern etwas außerhalb, in Baden und am Semmering, handelt "Brennendes Geheimnis". Einen völlig anderen Schauplatz allerdings haben die "Schachnovelle" und "Der Amokläufer", nämlich ein Passagierschiff. Der Autor war ja bekanntlich viel mit Dampfschiffen unterwegs, so daß er die Situation auf einem solchen Verkehrsmittel nur zu gut kannte. In diesen beiden Werken beschreibt er die dortige Atmosphäre als muffig, eng, unruhig und als einen Ort, wo jeder jeden kennt, wo die Privatsphäre sehr eingeschränkt ist.
In "Der Amokläufer" kommt aber noch ein zweiter indirekter Schauplatz vor: Indien. Dort verbrachte der Arzt die Jahre, die er nun dem Erzähler schildert. Indien wird als ein Land, in dem große Armut und ungerechte Klassengesetze herrschen, dargestellt, was exakt das Bild, das Zweig nach seiner Reise in diesem Gebiet hatte, widerspiegelt. Der Arzt berichtet, daß er sich in der Fremde nur wohl fühlte, "solange die Kraft von Europa her in mir noch funktionierte; dann trocknete ich aus." Dies traf auch auf Zweig zu.
Er identifizierte sich sehr stark mit Österreich bzw. Europa. Dementsprechend groß war sein Heimweh und seine Verzweiflung während des 2. Weltkrieges, als er sich im Exil befand und sich nach seinem Vaterland sehnte, jedoch auf keinen Fall zurück konnte. In der selben Situation befindet sich auch der Amokläufer. Der einzige Unterschied ist, daß diesem die Heimkehr aus den Tropen nicht aus politischen Gründen verwehrt bleibt, sondern er die Ursache selber verschuldete. Er fürchtet nicht eine strafrechtliche Verfolgung in seiner Heimat, aber er mußte sich als Arzt für zehn Jahre verpflichten und wenn er vorzeitig abbrechen würde, bekäme er keine Pension, die er bräuchte um noch einmal ein neues Leben anzufangen.



3.3. Schilderungen der Personen

Auffallend ist, daß Personen aus dem Großbürgertum, dem auch Zweig angehörte, meist von innen her charakterisiert werden, während Figuren aus den unteren Schichten eher so gezeigt werden, wie sie sich einem Betrachter von außen darstellen. Um ihre Identität zu schützen, nannte er bekannte Persönlichkeiten nicht mit vollem Namen, wie zum Beispiel Dr. B. in der "Schachnovelle", der als ehemaliger Anwalt zur Oberschicht gehört, wohingegen Mirko Czentovic, der zur Arbeiterklasse zählt, mit vollem Namen erwähnt wird. Während Dr. B. dadurch, daß er seine Geschichte selber erzählt, die Chance bekommt seine Gefühle und Gedanken zu beschreiben, werden bei dem Schachweltmeister nur äußerlich beobachtbare Dinge, zum Beispiel sein Gesichtsausdruck, erläutert. Nicht selten werden überhaupt keine Namen der Figuren angegeben, wie in "Der Amokläufer", der als Arzt und Doktor umschrieben wird. Auch den Namen des Barons in "Brennendes Geheimnis" erfährt der Leser nicht. Von Mathilde und Edgar, die sich schon eine Stufe niedriger in der Klassenhierarchie befinden, wird der Vorname angegeben, der Familienname aber verschwiegen. (Immerhin gehören sie dem Großbürgertum an.)
Anders ist es in "Angst", wo die mittellose Schauspielerin und der Musiker anonym bleiben dürfen, während die Anwaltsfrau Irene Wagner mit vollem Namen aufscheint. Dies hängt wahrscheinlich mit der Wichtigkeit der Personen zusammen.
Unübersehbar ist die Ähnlichkeit der ICH - Erzähler in der "Schachnovelle" und in "Der Amokläufer" mit dem Autor. Wie Zweig selber sind dies weitgereiste Männer, die sich für außergewöhnliche Personen interessieren. Ob ihm selbst allerdings jemals jemand seine Lebensgeschichte so detailgetreu erzählte oder ob dies ein Wunschtraum blieb, wissen wir nicht.
Zweig hatte eine unerklärliche Angst vor dem Altwerden. Vielleicht auch einer der Gründe, warum er die um vieles jüngere Lotte Altmann heiratet, um sozusagen noch einmal neu anfangen zu können. In seinen Novellen sind des öfteren ältere Männer dargestellt, aber nie ältere Frauen. Sowohl Irene, als auch Mathilde oder die reiche Dame in "Der Amokläufer" sind Frauen mittleren Alters. In keinem dieser vier Werke kommt jedoch ein alter Herr vor.




3.4. Frauenbild

Die Frauengestalten in Zweigs Werken besitzen sehr oft eine große Ähnlichkeit mit seiner Mutter.
Ida Zweig forderte mit ihrer resoluten Art ihren Sohn zum Widerspruch heraus. Als gesellschaftlich ambitionierte Dame mit einem Hang zum Luxus legte sie viel Wert auf ihre Erscheinung und trug stets moderne, teure Kleidung. Obwohl sie ihren Reichtum nicht unbedingt zeigen wollte, pflegte sie trotzdem einen gewissen Snobismus. Als verwöhnte Tochter einer Bankiersfamilie fühlte sie sich zeit ihres Lebens als etwas Besseres gegenüber ihrem Mann, einem Großindustriellen. Zudem wird die stolze Frau noch als reisefreudig, genußsüchtig und oberflächlich beschrieben.
Stefan litt sehr unter seiner dominanten Mutter und bevorzugte in seinem späteren Leben eher ruhige Frauen, die ihm ergeben waren (wie Lotte Altmann).
Mathilde wird als eine temperamentvolle, rassige, jüdische Frau geschildert, deren Ehemann nur ihre äußeren Bedürfnisse, "nicht aber ihren durch vornehme Lebensführung gereizten Snobismus zu befriedigen schien." Sie ist eine elegante, attraktive Erscheinung mit viel Selbstbewußtsein, die es genießt von anderen, besonders von Männern, bewundert zu werden. Ihrem Sohn gegenüber verhält sie sich kühl und abweisend, spricht französisch mit ihm und kommandiert ihn die ganze Zeit herum. Es verletzt Edgar, daß sie ihn wie einen kleinen, minderwertigen Jungen behandelt, und daß sie ihn schamlos belügt und verrät. Am Schluß ist ein Happy End, wo Mathilde, die aus dieser einen Erfahrung lernte, sich selbst gelobt in Zukunft immer für Edgar da zu sein und ihm soviel Liebe und Aufmerksamkeit als möglich zu schenken. Dies war höchst wahrscheinlich der sehnlichste Wunsch Zweigs, der sich von seiner Mutter unverstanden und ungeliebt fühlte.
Die reiche Engländerin in "Der Amokläufer" ist eine stolze, starke Frau. Sie hatte ein "undurchdringliches Gesicht, hart, beherrscht, von einer alterslosen Schönheit, ein Gesicht mit grauen englischen Augen, in denen alles Ruhe schien und hinter die man doch alles Leidenschaftliche träumen konnte." Allerdings fühlte sich der Arzt - im Gegensatz zu Zweig - von diesen Charaktereigenschaften angezogen. Es muß aber erwähnt werden, daß Stefans erste Frau, Friderike, auch eine energische Art besaß, sich sehr wohl traute ihre eigene Meinung zu äußern, was damals eher unüblich war.
In "Angst" wird Irene als eine Frau voller Ängste beschrieben, was jedoch sicherlich durch ihre Situation bedingt ist. Irene hat, wie Ida Zweig, zwei Söhne, wohnt in einem vornehmen Haus und geht gerne einkaufen.
Auffällig ist, daß alle drei Frauen eine Affäre hatten, oder zumindest beinahe hatten. Es stellt sich jetzt die Frage, ob Ida Zweig ebenfalls gelegentlich fremd ging, worüber ich aber nirgends nähere Angaben finden konnte. Oder brachte Zweig damit sein Frauenbild zum Ausdruck? Kühle, erhabene, starke Damen, denen man aber nicht vertrauen konnte.




3.5. Sexuelle Problembewältigung

Wieweit Zweig in seinen Novellen eigene sexuelle Probleme verarbeitet hat, bleibt eine offene Frage. Obwohl er in seiner Autobiographie ein ganzes Kapitel diesem Thema widmet, schreibt er nichts über persönliche Erfahrungen in diesem Bereich, ja, erwähnt nicht einmal den Namen seiner Ehefrauen. Daß Zweig jedoch Damen nicht abgeneigt war, sogar einige Affären hatte, ist ein offenes Geheimnis.
In seiner Jugend litt er stark unter der Scheinmoral, wonach das Ausleben der sexuellen Triebe für Männer akzeptiert wurde, aber nur wenn es geheim blieb. Frauen hingegen hatten sich bis zur Ehe in Keuschheit zu üben. Vielleicht wollte Zweig mit der Darstellung einer Frau, die ein Verhältnis eingeht, gegen diese Einstellung der Gesellschaft revoltieren.
Anhand Edgar wird die Tabuisierung der Sexualität gezeigt. Bücher werden vor ihm versteckt, Erwachsene verstummen, wenn er den Raum betritt, usw. Dies alles hat den Effekt, daß es ihn noch "brennender" interessiert hinter das "Geheimnis" der Erwachsenen zu kommen, deshalb auch der Titel.
Zweig kritisierte dieses Verhalten der Gesellschaft, das er selber zu spüren bekam, sehr stark.



3.6. Neugierde

Sigmund Freud wurde von Stefan Zweig sehr bewundert, jedoch nicht dessen wissenschaftlichen Thesen, denen der Schriftsteller ziemlich skeptisch gegenüberstand. Thomas Haenel vertritt überdies die Theorie, daß zwischen den beiden ein Arzt - Patientenverhältnis bestanden hatte, was möglich, sogar wahrscheinlich ist, wofür aber nirgends eindeutige Beweise zu finden sind. Menschen beobachten, ihnen nachspüren und hinter ihr Geheimnis kommen war immer ein großer Wunsch Zweigs, dem näherzukommen er glaubte durch seine Autographensammlung. "Ich weiß von einem Künstler nicht genug, wenn ich nur sein geschaffenes Werk vor mir habe." sagte er einmal. Hinter die Wirkung psychologischer Sach¬verhalte versuchte er zu kommen, vielleicht auch, um sich selbst ein Stück besser kennenzulernen.
Der Amokläufer wird nicht nur von einer sexuellen Leidenschaft ange¬trie¬ben, sondern auch von der Passion alles über die reiche Dame zu wissen, sie ganz zu besitzen. Sie hat Angst vor seiner Besessenheit und bevor¬zugt, sich von einer "Engelmacherin" behandeln zu lassen, als sich ihm auszuliefern. Als der Arzt sieht, was er mit seiner Neugierde ange¬richtet hat, tut er alles um ihre Ehre zu retten: er nimmt sogar seinen eigenen Tod in Kauf.
Irenes Mann treibt sie mit seiner Neugierde ebenfalls beinahe in den Tod, aber er kann sie im letzen Augenblick noch retten. Seine Absicht ist es, ihr zu helfen. "Die Angst ist ärger als die Strafe, denn die ist ja etwas Be¬stimm¬tes und, viel oder wenig, immer mehr als das entsetzlich Unbe¬stimmte, dies Grauenhaft - Unendliche der Spannung." sagt er und meint damit ihre Angst, er könnte ihren Seitensprung entdecken. Aber er kann wohl nicht abstreiten, daß er auch in gewisser Weise testen wollte, wie sehr Irene ihm vertraut. Dazu kommt noch seine "Berufsneugier" als Anwalt.
Edgars Neugier, hinter das Geheimnis der Erwachsenen zu kommen, wurde ja schon weiter oben erwähnt und meiner Ansicht nach war es auch nichts Anderes, was Dr. B. dazu trieb, gegen Czentovic eine Partie zu spielen. Er wollte herausfinden, wie real seine Schachzüge in der Gefan¬genschaft waren und auch ihm wurde diese Neugier beinahe zum Verhängnis.




3.7. Fluchttendenzen

Menschen, die vor ihren eigenen Problemen flüchten, erinnern sehr stark an den Autor. Er selbst floh gewissermaßen 1917 vor dem Kriegselend in Österreich in die Schweiz. Zwar war der Anlaß die Premiere seines Theaterstückes, aber selbst danach verweilte er noch in dem sicheren Zufluchtsort und kehrt erst 1919 nach Österreich zurück. Später, als sich die politisch Situation vor dem 2. Weltkrieg immer mehr verschärfte und sich seine Ehekrise immer mehr zuspitzte, nahm er dankbar eine Einladung nach Südamerika an. Jedoch tendierte Zweig nicht nur zur räumlichen Flucht. Als diese dient ihm auch seine schriftstellerische Tätigkeit. Er sagte selber: "Die Arbeit ist die einzige Tür, durch die ich mir selbst zu entrinnen vermag." Seine innere Unruhe wurde ebenfalls durch seine zahlreichen Reisen zum Ausdruck gebracht.
Irene trieb eine Flucht vor der Langeweile in ihre Affäre. Sie hatte ihr sittliches, hausfräuliches Leben satt und wollte Abwechslung. Auch vor der Erpresserin versucht sie sich zu schützen, indem sie nicht mehr spazierengeht (um ihr nur ja nicht zu begegnen) und sich in ihrem Haus verkriecht.
Edgar floh, als er sich nicht mehr anders zu helfen wußte und auch der Amokläufer rennt aus seinem Heimatland davon, um nicht strafrechtlich verfolgt werden zu können. Ist es nicht ebenfalls Flucht vor der Wirklichkeit und vor seinem Leben, die den Arzt zum Alkoholiker macht?




3.8. Depressionen und Suizidhandlungen

Zweig hatte einen Hang zum Pessimismus und verfiel sehr oft in Depressionen, die zu überwinden ihm Friderike eine große Stütze war. Lotte hingegen litt selbst an Schwermütigkeit und war ihm in diesem Punkt absolut keine Hilfe. Als Ursachen für seine ausgeprägte Melancholie, die vor allem in seiner letzten Zeit in Südamerika unbekannte Auswüchse annahm und schließlich zum Selbstmord führte, gelten seine unerklärliche Panik vor dem Alter, der Mangel an sozialen Kontakten (zu seinen Freunden in Europa war die Verbindung unterbrochen), große Ängste, welche durch die Zerstörung Europas hervorgerufen wurden und die Tatsache, daß er sehr wenig Selbstvertrauen besaß. Sein scheinbar unwichtiger Erfolg bedeutete ihm viel mehr als er sich eingestand. So nagte der Umstand, daß seine Bücher von den Nazis verbrannt wurden und sie nicht weiter in deutsch erscheinen konnten sehr an seinem Selbstwertgefühl.
Der Selbstmord war aber kein plötzlicher Entschluß. Er beschäftigte sich schon viele Jahre vorher damit und forderte Friderike zwei Mal auf mit ihm in den Tod zu gehen. Zweig glaubte nie mehr in seine Heimat zurückkehren zu können, da man selbst noch nach dem Krieg alle Juden hassen wird. Außerdem vernichtete sich seiner Ansicht nach Europa selber. All diese Gründe sah er durch den Nebel starker Depressionen und entschied, daß er nicht mehr weiterleben wollte.
In den von mir behandelten Werken, kommt ein vollzogener Suizid und ein Versuch vor. Irene leidet aber nicht an Depressionen, sondern Angst und Verzweiflung treiben sie dazu, Selbstmord in Erwägung zu ziehen. Es ist für sie kein lang erwünschtes Ereignis. Im Gegenteil, bis zum Schluß sucht sie nach anderen Möglichkeiten, denn sie will leben, weshalb sie sehr erleichtert ist, als ihr Mann ihrem Elend ein Ende bereitet und sie so vor dem letzten Schritt bewahrt.
Der Amokläufer leidet an starken Schuldgefühlen, ist depressiv und bei ihm kommt auch noch der ständige Alkoholkonsum dazu. Meiner Meinung nach war sein Tod eher eine Rettung der Ehre der Frau, die er liebte. Er dachte weniger an sich selbst, als daran, wie er sein Versprechen halten kann. Schon vorher wollte er sich erschießen, nur der Gedanke sie könnte ihn brauchen, hielt ihn zurück. Verlockend war sicher auch für immer mit ihr vereinigt zu sein, denn der fühlte sich einsam, von ihr zurückgelassen.
Diese Überlegung spielte sicher auch eine Rolle beim Doppelsuizid der Zweigs. Nicht alleine zurück zu bleiben.

 
 

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