Unter genetisch bedingten Erkrankungen versteht man die Erkrankungen, die durch eine Veränderung im Aufbau einzelner DNA-Abschnitte (Gene) oder größerer Bereiche des DNA-Moleküls verursacht sind. In der DNA sind die Vorschriften für sämtliche Funktionen einer Zelle innerhalb des Gesamtorganismus und die Baupläne aller Strukturen und Merkmale verschlüsselt. Jede Zelle enthält den kompletten DNA-Bestand eines Menschen. Dieser befindet sich vor allem im Zellkern, nur ein Bruchteil ist in einer weiteren zellulären Struktur, den Mitochondrien, lokalisiert. Fehler im Aufbau der DNA können das Programm von Zellen stören mit zum Teil schwerwiegenden Folgen für den Gesamtorganismus. Solche Fehler im Aufbau der DNA werden Mutationen genannt.
Eine Mutation kann über eine elterliche Keimzelle (Ei- oder Samenzelle) von einer Generation zur anderen vererbt worden sein. Die Mutation kann aber auch in einer elterlichen Keimzelle neu entstanden sein (Neumutation). Auch noch nach der Konzeption, während der folgenden Zellteilungen, können Mutationen auftreten (somatische Mutationen) und zu genetisch bedingten Erkrankungen führen.
Anhäufungen von somatischen Mutationen im Laufe des Lebens spielen eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Tumoren. Im Unterschied zu den genetisch bedingten Erkrankungen, einschließlich bestimmter \"familiärer\" Tumorerkrankungen, bei denen die Genveränderung alle oder einen Großteil der Zellen eines Menschen betrifft, sind bei den isolierten Tumoren die DNA-Veränderungen auf die Tumorzellen beschränkt.
Neben den Erkrankungen, die Genetisch bedingt sind gibt es noch multifaktorielle Erkrankungen. Bei diesen Erkrankungen spielen Umweltfaktoren eine wesentliche Rolle.
Die einzigen genetischen Erkrankungen, bei denen Veränderungen im Lichtmikroskop erkennbar sind, sind Chromosomenstörungen. Die Veränderungen betreffen die Chromosomenzahl oder die Chromosomenstruktur. Eine Konsequenz für den Gesamtorganismus folgt, wenn Chromosomenmaterial hinzugekommen oder verloren gegangen ist. Im Falle der Geschlechtschromosomen folgt nicht unbedingt eine Konsequenz für die betreffende Person. Etwa 0,5 % aller Neugeborenen haben eine Veränderung an den Chromosomen. Der Erkennung von Chromosomenstörungen dient eine Chromosomenanalyse, die üblicherweise an weißen Blutkörperchen aus dem Blut erfolgt, aber auch an Zellen anderer Gewebe durchgeführt werden kann.
Einige Chromosomenstörungen können durch eine numerische oder durch eine strukturelle Abweichung verursacht sein.
3.1 Was sind autosomale rezessive Erkrankungen?
Man spricht davon, wenn an dem bestimmten Genort beide Kopien des entsprechenden Gens (die väterliche und die mütterliche) eine Veränderung aufweisen müssen. Wenn lediglich eine Genkopie verändert ist, kommt die Erkrankung nicht zur Ausprägung, weil die zweite normale Genkopie ausreicht, die Folgen der Veränderung zu kompensieren. Tritt eine autosomal rezessive Erkrankung bei einem Kind gesunder Eltern auf, muss davon ausgegangen werden, dass beide Eltern jeweils eine veränderte Kopie des Gens neben einer normalen Kopie an dem entsprechenden Genort tragen.
Die Abbildung zeigt, warum beim autosomal rezessiven Erbgang die Wahrscheinlichkeit der Erkrankung für Kinder 25 % beträgt. Dabei entspricht jedes kleine Rechteck der Kopie eines bestimmten Gens.
Sofern eines der Elternteile bereits krank ist, also bei ihm (ihr) beide Kopien verändert sind, steigt die Wahrscheinlichkeit für die Nachkommen, ebenfalls zu erkranken, von 25 % auf 50 % an. Sind gar beide Elternteile erkrankt, werden alle Nachkommen ebenfalls erkranken.
3.2 Was versteht man unter autosomale dominante Erkrankungen?
Diese Erkrankung liegt vor, wenn an dem entsprechenden Genort eine Kopie des entsprechenden Gens (die väterliche oder die mütterliche) eine Veränderung aufweist, und diese trotz einer normalen zweiten Kopie zur Ausprägung der Erkrankung führt. Die Abbildung zeigt, warum beim autosomal dominanten Erbgang für Kinder eines Erkrankten eine Wahrscheinlichkeit von 50 % besteht, ebenfalls zu erkranken. Wenn beide Elternteile betroffen sind, erkrankt ein Kind mit einer Wahrscheinlichkeit von 75 %.
3.3 X-chromosomale Erkrankungen
Bei dieser Erkrankung liegt der Genort für die entsprechende Erkrankung auf dem X-Chromosom (weibliches Geschlechtschromosom). Deswegen tritt die Krankheit geschlechtsgebunden Unterschiedlich auf. Bei den X-chromosomalen kommt es bei Jungen, die neben einem Y-Chromosom nur ein X-Chromosom haben, infolge einer Veränderung der einzigen Genkopie am entsprechenden Genort auf dem X-Chromosom zur Erkrankung.
Frauen oder Mädchen dagegen, die immer zwei X-Chromosomen haben, kommt es bei Mutation eines X-Chromosoms nicht zur Ausprägung des Krankheitsbildes. Sie können aber Überträgerinnen der Erkrankung (Konduktorinnen) sein. Für Söhne von Konduktorinnen besteht eine Wahrscheinlichkeit von 50%, die Genveränderung zu erhalten und damit zu erkranken, während die Töchter mit der gleichen Wahrscheinlichkeit, Überträgerinnen sein können. Eine Vater-Sohn-Verebung ist nicht möglich. Ein bekanntes Beispiel für eine X-chromosomal rezessive Erkrankung ist die Bluterkrankheit (Hämophilie), an der fast nur Männer erkranken.
Bei den X-chromosomal dominanten Erkrankungen, die sehr selten sind, sind Mädchen oder Frauen betroffen. Da Jungen nur ein X-Chromosom haben, sind sie bei entsprechender Veränderung der einzigen Genkopie auf dem X-Chromosom so schwer geschädigt, das sie nicht lebend geboren werden.
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